Aus Sicht der Medientheorie ist Theodor W. Adorno eine der ambivalentesten Figuren des 20. Jahrhunderts. Sein öffentliches Wirken begann in jungen Jahren als Musikkritiker. Seit den 1940er Jahren war »Kulturindustrie« der Schlüsselbegriff, mit dem er und Max Horkheimer die Logik medialisierter Kultur und Bildung analysierten. Adorno, der den Begriff der Vermittlung (und damit auch die Medialität) konsequent betonte, war einer der wahrnehmbarsten Medien-Intellektuellen seiner Zeit. Als Philosoph und Soziologe diskutierte er den Zustand der Öffentlichkeit und des autonomen Individuums unter den Bedingungen einer industrialisierten Medienproduktion in Gestalt medialer Interventionen, vornehmlich Interviews und Vorträge, die mittlerweile legendären Status haben.
So unerbittlich »negativ« Adornos Analysen auch waren, setzte er sich dennoch praktisch mit der Welt der Medien, des Rundfunks und des Fernsehens auseinander und wusste diese für das Projekt kritischer Theorie zu nutzen und zu theoretisieren.
In unseren zeitgenössischen Debatten hat Adornos zuweilen apokalyptisch anmutender Ton wieder Einfluss gewonnen. Angesichts der Verbreitung von »Fake News«, von Big Data, Social Media und digitalem Populismus kann kritische Theorie erneut als aufschlussreiche Referenz für eine philosophisch informierte und soziologisch fundierte Medienkritik dienen.
Anlässlich des 50. Todestages von Adorno konzentriert sich die Konferenz auf diese drei Themen:
- Adornos eigene Ambivalenz über die Gefahren und Potenziale moderner Medien,
- die Folgen seiner Theorie in medientheoretischen Ansätzen der folgenden Jahrzehnte und
- die Relevanz von Adornos kritischer Theorie in der zeitgenössischen Kritik der digitalen Kultur.
Anmeldung unter: ed.ehurslrak-gfh(ta)znerefnok-onroda
FREITAG, 13. Dezember 2019
12:00 – 13:00 Uhr
Eröffnung der Ausstellung “Adorno und die Medien”
(Museumsbalkon ZKM)
14:00 – 14:30 Uhr
Begrüßung: Peter Weibel, Johan F. Hartle, Lioudmila Voropai
(Medientheater ZKM)
14:30 – 16:00 Uhr
Keynote 1: Josef Früchtl - 'Message in a Bottle': Adornos kritische Theorie und die Popkultur
16:15 – 17:45 Uhr
Panel 1: »Audio«
Moderation: Roger Behrens
Antonia Hofstätter - Utopian Grooves
Ulrike Ramming - Waren-Hören und - Sehen und unreglementierte Erfahrung
Panel 2: »Film«
Moderation: Judith-Frederike Popp
Pola Groß - ‚Die Revuefilme sind meist die, welche dem Ideal der Montage am nächsten kommen‘: Adorno und die leichten Künste
Wonho Lee - Ein Beispiel ästhetischer Formbildung im Film
18:00 – 19:30 Uhr
Panel 1: »Digitale Medien 1«
Moderation: Gerhard Schweppenhäuser
Sarah Bianchi - Adorno, Foucault und der digitale Wandel
Henrik Holm - Ästhetische Bildung in der digitalen Kultur
Michael Meyer - Adornos kritische Theorie und die digitale Kultur
Panel 2: »TV 1«
Moderation: Johan F. Hartle
Roger Behrens - Adorno bei Monty Python in der Sesamstraße
Florian Wobser - Alexander Kluges Transformieren der Medienkritik Adornos im TV
Stefan Niklas - Will the Enlightenment be broadcasted (or is it on Twitter)?
Panel 3: »Media Theory and Philosophy 1«
(in English)
Moderation: Samir Gandesha
Tyrus Miller - Adorno, Stiegler, and the Industrial Schemata of Experience
Martin Ritter - Rethinking Social Mediation
20:00 – 21:30 Uhr
Keynote 2: Christiane Voss - Medienanthropologie im Lichte von Adornos Anthropologieskepsis
-
SAMSTAG, 14. Dezember 2019
9:00 – 11:00 Uhr
Panel 1: »TV 2«
(in englischer Sprache)
Moderation: Tyrus Miller
Stefano Marino - Philosophical Anthropology vs. Negative Dialectics on TV
Stuart Walton - Sehen und Fernsehen: Adorno on Television
Panel 2: »Kulturindustrie digital«
Moderation: Johan F. Hartle
Cyrill Miksch - Kittler und Adorno
Sebastian Tränkle - Adornos negativ - anthropologische Medienkritik im digitalen Zeitalter
Tobias Litterst - Fake News - Über den Zusammenhang von Nachrichten und Ideologie
Olivier Voirol - ‚Kulturindustrie‘ as Pathology of the Public Sphere
11:15 – 12:45 Uhr
Keynote 3: Samir Gandesha - Adorno and the Spectre of Fascism
13:30 – 14:00 Uhr
Führung
Ausstellung “Adorno und die Medien”
(ZKM Museumsbalkon)
14:00 – 16:00 Uhr
Panel 1: »Digitale Medien 2«
Divya Nadkarni: Poetic autonomy?
Philipp Kleinmichel: Absolute Negativity: Art and Technological Media
Panel 2: »Medientheorie und Philosophie 2«
Moderation: Lioudmila Voropai
Christine Abbt: Nichtidentität und Kritik
Sulgi Lie: Synthetische Physiognomien
Judith-Frederike Popp: Aktuelle Formen medialer Selbstgestaltung auf Adornos Prüfstand
Malte Fabian Rauch: Medien des Zerfalls: Adorno – Benjamin – Bataille
16:00 – 17:30 Uhr
Keynote 4: Christian Fuchs - Adorno and the Media in Digital Capitalism
Christine Abbt Dr. phil., Professorin am Philosophischen Seminar der kultur- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern
Roger Behrens Dr. phil., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft der Bundeswehruniversität Hamburg
Sarah Bianchi Dr. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Christian Fuchs Prof. Dr., Professor at the Communication and Media Research Institute, University of Westminster
Josef Früchtl Prof. Dr., Professor für Philosophie, Universität Amsterdam
Samir Gandesha Director of the Institute for the Humanities, Simon Fraser University, Vancouver
Pola Groß Dr. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin
Johan F. Hartle Prof. Dr., Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien
Antonia Hofstätter Lecturer in German at the University of Stockholm
Philipp Kleinmichel Dr. phil., Assistant Professor am Lehrstuhl für Kunsttheorie und inszenatorische Praxis, Zeppelin Universität Friedrichshafen
Henrik Holm Ph.D., Professor für Philosophie an der Universität Oslo
Wonho Lee Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Korea Foundation Europe
Sulgi Lie Dr. phil., Vertretungsprofessur Filmwissenschaft/Audiovisuelle
Medienkulturen am Institut für Sprach-, Medien- und Musikwissenschaft der Universität Bonn
Tobias Litterst Promotionsstudent an der Universität Tübingen
Stefano Marino Ph.D., Senior assistant Professor, Universität Bologna
Michael Meyer Dr. phil., Freischaffender Philosoph
Cyrill Miksch Promotionsstudent Media Studies, Universität Basel
Tyrus Miller Ph.D., Professor of English and Art History, University of California Irvine
Divya Nadkarni Ph.D. Student at the Amsterdam School of Cultural Analysis, Universität Amsterdam
Stefan Niklas Ph.D., Assistant Professor für Philosophie, Universität Amsterdam
Judith-Frederike Popp Dr. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Gestaltung der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
Ulrike Ramming Dr. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Universität Stuttgart
Malte Fabian Rauch Promotionsstudent an der Universität der Künste Berlin
Martin Ritter Ph.D., Senior Researcher at the Czech Academy of Sciences, Institute for Philosophy, Prague
Gerhard Schweppenhäuser Prof. Dr., Professor für Design-, Kommunikations- und Medientheorie, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
Sebastian Tränkle Wissenschaftliche Assistenz am Arbeitsbereich Geschichte der Philosophie, FU Berlin
Olivier Voirol Ph.D., Associated researcher at the Institut für Sozialforschung at the Goethe Universität, Frankfurt am Main; Maître d’enseignement et de recherche at the University of Lausanne, Faculty of Social and Political Sciences
Lioudmila Voropai Dr. phil., Vertretungsprofessur für Kunstwissenschaft und Medientheorie, Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
Christiane Voss Dr. Prof., Professorin für Medienphilosophie/Philosophie audiovisueller Medien am IKKM Weimar
Stuart Walton Author and Critic, Torquay England
Peter Weibel Prof. Dr.h.c.mult., Vorstand ZKM
Florian Wobser Gymnasiallehrer für Philosophie, Ethik und Deutsch am Gebrüder-Montgolfier-Gymnasium Berlin
Im Rahmen der Konferenz wird die Ausstellung „Adorno und die Medien“ im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien eröffnet.
Der Philosoph Theodor W. Adorno (1903-1969) beschrieb die ihm gegenwärtigen Medien als der Kulturindustrie zugehörige, wirkmächtige Instrumente ideologischer Manipulation. Geschickt nutzte er jedoch die von ihm analysierten Massenmedien selbst als Sprachrohr zur Vermittlung seiner Medienkritik an ein breites Publikum. Auch mehr als ein halbes Jahrhundert später bleibt sein Denken überaus relevant — nicht zuletzt im Kontext der emanzipatorischen Versprechungen von Digitalisierung und prosumer culture.
Vor diesem Hintergrund befassen sich die teilnehmenden Künstler*innen mit der Aktualität und den Auswirkungen von Adornos Gesellschaftsanalysen sowie mit der Darstellung und Wahrnehmung seiner Theorie in der internationalen Kultur- und Medienproduktion von den 1950ern bis in die Gegenwart. Ein bisweilen selbstironischer „fröhlicher Kulturpessimismus“ der hier präsentierten Arbeiten erscheint dabei als notwendige dialektische Wendung und die für Adorno zentrale Antinomie der Kunst – fait social versus Autonomie – kann sich einem Update ebenfalls nicht entziehen: Der fait social ist vom fait medial kaum mehr zu differenzieren.
Zu sehen ist die Ausstellung im Museumsbalkon/ ZKM | Zentrum für Kunst und Medien vom 13. bis 22. Dezember 2019.
KünstlerInnen: Nino Alonso / Mascha Danzis / Toninho Dingl / fwd:flyingduckz:semester! / Marco Kempf /Jason King / Alexander Kluge / Ira Konyukhova / Leander Kurscheidt / Alejandro Moncada / Ilja Morgenstern / Tibor Pilz / people of accent / Louisa Raspé / Patrick Scislowski / Christina Vinke / Vadim Zakharov
Kuratorisches Team: Lioudmila Voropai, Moritz Nebenführ, Jandra Böttger
Grafik: Jonathan Blaschke & Moritz Simon
Eine Ausstellung der HfG Karlsruhe in Kooperation mit dem ZKM
Ausstellungseröffnung am Freitag, den 13. Dezember 2019 um 12 Uhr