Critical Zones: vierte Runde des Forschungsseminars mit Bruno Latour und Gästen
21. bis 25. Januar 2019
Vom 21. bis 25. Januar fand die vierte Sitzung des Forschungsseminars mit dem französischen Wissenschaftsphilosophen Bruno Latour statt. Neben einer winterlichen Exkursion zum Observatoire Hydro-Géochimique de l’Environnement der Universität Straßburg im Strengbach-Tal, Frankreich, waren weitere Höhepunkte dieser Woche die Gastsprecher Emeka Ogboh, John Tresch und Matteo Pasquinelli.
Unter Anleitung Bruno Latours und in Zusammenarbeit mit Daniel Irrgang (Medienwissenschaftler, HfG Karlsruhe) und Martin Guinard-Terrin (Kurator) bereiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forschungsseminars „Critical Zones“ eine Ausstellung vor, die 2020 am ZKM Karlsruhe eröffnen wird. Der Begriff „Critical Zone“ ist aus den Geowissenschaften übernommen und bezeichnet dort die biochemische, mitunter fragile Schicht der Erde, ihre Oberfläche, auf der das Leben entsteht. Von Prof. Latour wird der Begriff erweitert zu einem kritischen, teilnehmenden Verhältnis zu unserer Lebenswelt, deren bedrohter Zustand in der nun vom Menschen geprägten Erdgeschichte ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht hat. Als „New Climate Regime“ hat Prof. Latour unsere aktuelle, weltweite Situation beschrieben, die sich nicht nur auf ökologische Krisen beschränkt, sondern Fragen der Politik und Kulturgeschichte genauso berührt wie erkenntnistheoretische Perspektivenwechsel.
Den Auftakt der Woche machte eine Exkursion ins „Feld“ der Geowissenschaften: zum Critical-Zone-Observatorium der Universität Straßburg (Observatoire Hydro-Géochimique de l’Environnement) im Strengbach-Tal, bei Aubure in Frankreich. Dank des Engagements der Geochemikerin Dr. Marie-Claire Pierret-Neboit sowie ihrer Kolleginnen, die mit den SeminarteilnehmerInnen den Weg durch den hohen Schnee antraten und die Messstationen und Forschungsmethoden des Observatoriums erläuterten, wurde diese Kollaboration an den Schnittstellen zwischen den Künsten und Naturwissenschaften möglich.
Weitere Höhepunkte der Woche waren Gastsprecher, die eigene Forschungsprojekte vorstellten, welche im thematischen Spannungsfeld des Seminars angesiedelt sind. Der Künstler Emeka Ogboh ist für seine Sound-Installationen bekannt, etwa für seine Beiträge für die documenta 14 und Skulptur Projekte Münster 2017. In seinem Vortrag erläuterte er seine künstlerische Forschung im Diskursfeld Migration, Globalisierung und Postkolonialismus, die sich mit der Perspektive der anderen Kultur und ihrer Fremdheit in den globalen Migrationsbewegungen auseinandersetzt. John Tresch, Professor für Wissenschaftsgeschichte und -philosophie am Warburg Institut in London, gab eine einführende Präsentation seines Begriffs „Kosmogramme“. Dieser verweist auf materielle Artefakte der Kulturgeschichte – von Tempelformationen der Maya bis zu geologischen Darstellungen jesuitischer Gelehrter – in denen sich die jeweilige Kosmologie ihrer Zeit und Kultur widerspiegeln. Im anschließenden Austausch konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars auch ihre eigenen Forschungsprojekte mit Prof. Tresch diskutieren. Matteo Pasquinelli, Professor für Medientheorie an der HfG Karlsruhe, stellte seine kritische, historisch und philosophisch informierte Position zum aktuellen Hype um Machine Learning und Artificial Intelligence vor. Die in diesem Kontext verhandelten Beschleunigungen kultureller Entwicklung unter dem Narrativ technologischer Innovation gehören zu jenen Feldern, die in der Ausstellung kritisch diskutiert werden.
Ein ausführliches Interview zu den Fragenstellungen von Forschungsseminar und Ausstellungsprojekt hat im Mai 2018 Yohji Suzuki, Teilnehmer des Seminars, in einem Interview mit Prof. Latour erörtert. Es ist in englischer Sprache auf der Website der Tokyo University of the Arts erschienen. Zum Interview
Die Teilnahme am Seminar ist nicht öffentlich, sondern wurde aufgrund der hohen Nachfrage über Anmeldungen geregelt.
Die Projektprofessur Bruno Latours an der HfG Karlsruhe wurde wesentlich durch die Kooperationen mit dem ZKM Karlsruhe ermöglicht. Seit 2005 hat Peter Weibel mit Bruno Latour bereits drei große Handlungs- und Denkräume für den Museumskontext entwickelt, „Icono-Clash“, „Things Going Public“ und „Reset Modernity“. „Critical Zones“ wird aus dieser Zusammenarbeit die Quintessenz herausarbeiten und sie abschließen.