Sechs Jahre, von 1998 bis 2004, wirkte Markus Grob als Professor für Architektur an der HfG. Markus Grob zählte eher zu den leisen Vertretern seiner Zunft. Ob in Seminaren, in der Zusammenarbeit mit Studierenden oder, in seiner Zeit als Prorektor, an der „politischen Front“, Markus Grob war immer um eine sachlich nüchterne, gleichwohl nie spröde oder distanziert abgehobene Auseinandersetzung bemüht. Markus Grob war ganz einfach eine sehr sensible Person, immer verständlich und einfühlsam, kurzum: ein feiner Mensch. Zuletzt war es etwas still um ihn geworden. Aber immer, wenn er, selbstverständlich äußerst diskret, eine Veranstaltung an der HfG besuchte, verbreitete er einen Hauch dieser ihm eigenen durch und durch friedvollen Aura. Die, die ihn kannten, werden ihn nicht vergessen. (Volker Albus)
Herr Prof. Markus Grob verstarb am 29.06.2021 in Karlsruhe.
Die Beisetzung von Herrn Prof. Grob findet am 8. 7. auf dem Hauptfriedhof der Stadt Karlsruhe statt. Die Trauerfeier ist in der kleinen Trauerkapelle um 14 Uhr.
Abschied von Markus Grob
Die Decke zum Himmel öffnen; darunter Mäuselichter – Bilder und Titel zweier architektonischer (-nicht baulicher-) minimaler Interventionen Markus Grobs, mit welchen 2009 ein freundschaftlich beschrittener Pfad begann, auf dem Tanja Goetzmann und ich – Absolvent:innen der HfG – gemeinsam mit ihm unbekanntes und bekanntes Terrain neu entdeckten; gedanklich, gestalterisch, stofflich, spazierend; meist spiralig beglückt und beeindruckend präzise verwirrend, da von schnellen Reflexionswechseln begleitet. Dies alles nicht verwunderlich, denn Markus war ein Verwandler.
Für ein Ausstellungsvorhaben, das eine schlummernde Villa in der Karlsruher Weststadt aus einem Schlaf weckte, aus der Versenkung in eine bis heute fortdauernde Sichtbarkeit hob, war er unserer Einladung und Bitte gefolgt, den Umbau dieses Hauses zu Gunsten der sich darin versammelnden künstlerischen Arbeiten und ihrer Urheber:innen zu betreiben. Der so genannte Umbau orientierte sich am Rahmen dieser für wenige Wochen Laufzeit konzipierten Unternehmung: mit gewitztem Einsatz der Mittel, das heißt entscheidend gesetzten Lichtspendern, ohne schweres Gerät ebensolches Material bewegend, gelang es ihm perzeptiv angelegte Erwartungen so zu verschieben, unmerklich, dass die Atmosphäre der gesamten Räumlichkeit eine neue war; das Klima des Hauses in seiner Bedeutung für ehemalige und künftige Bewohner:innen im Gegenwärtigen verändert – geweitet. Dieses skizzierte Phänomen war spezifisch für sein Tun.
Während des Studiums an der HfG hatte ich Grobs wundersam enigmatischen und zugleich in einem Unterstrom ringsherum das Bewusstsein erhellenden Vorlesungen zur Architektur gelauscht. Sie wirkten wie ein Depot im Geist, welches auch Jahre später noch Erkenntnisse und Einsichten frei setzt, Zusammenhänge im Lebendigen und Gebauten des Ruralen und Urbanen plötzlich verstehbar macht, überhaupt erst sichtbar werden lässt. Die Dokumentationen klug geplanter und tatsächlich ausgeführter Umbauten, eine Wohnung in Barcelona und ein Haus in Hamburg, bewogen mich, erneut Kontakt zu ihm aufzunehmen, der sich erfrischend unkompliziert und wertschätzend gestaltete. Im Weiteren entwickelten sich hieraus echte Highlights Karlsruher Gespräche, die Freude, mit ihm ganz leicht und tief über Zusammenhänge zu reden, Bilder zu öffnen, Ideen und Räume zu erkunden.
Vorausgegangen war eine kurze Begegnung, bei welcher Markus Grob uns geistreich plausibel vermittelt hatte „wie viel Zeit, Lebenszeit wir doch haben...für das Tun, die Inhalte, das im All Tägliche...“, wenn sich dieses Gefühl für den Fächer der Stunden, Tage, Jahre an seine Quelle anlegt und fortan zu artesischer Erfahrung und Übung würde. Der immerfort angestimmten unzulänglichen Klage, wie wenig Zeit „man“ doch stets habe, setzte er ein Plädoyer des je eigenen Stundenbuchs entgegen und entfaltete an diesem Abend eine/unsere Horizontlinie neu.
In den folgenden Jahren trafen eine Reihe junger Künstler:innen und Gestalter:innen in ihren jeweils eigenen Sphären, Arbeits- und Diskurs-Räumen mit Markus zusammen und er wurde wichtiger Gesprächspartner und loyaler Freund für einen inspirierenden und inspirierten Kreis. In gewisser Weise war dies die Transposition und Verwandlung seiner Lehrtätigkeit an der HfG in den gesellschaftlichen Außenraum mit Mitteln des Inneren. Eine fein gewobene Bezogenheit bei bedingungslosem Freilassen. So schrieb er in einer E-Mail: „...über Deinen selbstbestimmten Werdegang freu’ ich mich sehr: so hatte ich mir HfG vorgestellt, dass Allen dort der Mut gemacht wird, sich auf ihren Weg zu begeben! Ihre Lücke finden, nannt’ ich das.“ Sätze, die jeden Absolvent:innen einer Hochschule für Gestaltung, genauer gesagt: einer Hochschule für Gestaltung der Gesellschaft mit auf den Weg zu geben sind.
Man sieht nur mit den Augen gut – wissend, dass Gesicht und Handflächen während einer bestimmten embryologischen Phase auf dem Herzen aufliegen, von diesem gleichsam nachbarschaftlich in-formiert werden für späteres Dasein. Das Herz haben wir sozusagen in unseren Händen, den Augen, im Blick, dem Hören, auf der Zunge... – Aus Wahrnehmung erwächst Sprache, Markus Grobs bevorzugtes Medium. Und noch vor seinem Schreiben über das Bauen und die Architektur, durfte man die Wege beim Gehen entstehen sehen, die buchstabierten und spurlos vogelgleichen, beim Zug durch die Städte; wenn unsere Augen über die Fassaden glitten und Markus Grob in ungezählten Erkundungsausflügen – Stadtspaziergänge genannt – fabulierend uns mit Blick und Sinn beschenkte im gegebenen wie imaginären Raum sich einzufinden.
Es ging ihm um die Erzählungen, die wir einander äonenlang sagen, darleben, nie um eine klassifizierende Bewertung; das war bemerkenswert.
Und dass das Bauen stets vor dem Hintergrund und auf der Bühne der Zeit statt findet, also Architektur als Aufführung zu verstehen sei; und wie wir uns in den gebauten Szenen begegnen können.
Manches Bauvorhaben hätte ich ihm noch gewünscht, um nachschauenden Architekt:innen und Auftraggeber:innen Hinweise zu liefern, wie man es nicht machen muss, sondern es geradezu auch machen kann! Leben und Bewegen in Möglichkeiten.
Immer hatte, wer mit Markus in Austausch geriet, auch eine Verabredung mit der Farbe. Dann mischte sich rasches Erfassen mit uraltem Wissen und leuchtend klarem Schauen. Und dazwischen blitzte sein Lächeln auf, immerfort eine Einladung aussprechend, die Endlichkeit alles Gemachten und Geschaffenen freundlich froh zu begrüßen. Wohlgemerkt.
Im Nachgang solcher Treffen waren luzide Momente offensichtlicher zu notieren: “...das Abendrot-blau-orange-zartgrau eines Novemberabends umfing mich – unfassbar schön! Die Häuser, Straßen, Bäume, Tiere, die menschlichen Wesen, alles leuchtete in diesem Licht. Ich stand in Pantoffeln auf dem Hof mit offenem Mund – und habe verstanden, die Farben, die uns meinen, und wir die ihren sind. Farbe ist die tiefere Wirklichkeit. Bin ganz verwirrt heute noch, wenn ich daran zurück denke; einen Apfel aus dem Gras aufnehmend und kein Unterscheiden seiner Schale, der Luft, die ich atmete, des Raumes in und über mir... eine Umstimmungserfahrung... – Und durch den Himmel flogen Wildgänse, reisten ins Herz“.
Das Herz und die Gedanken, in Wellen; Herzschlag und zurückströmendes Denken;
darauf die Welle der Imagination, die es mitnimmt, ins Un-Gewisse führt, wieder.
Einen Tag nach der Nachricht von seinem Tod nahm ich einen großen Wind- und Luftdrachen mit freundlich wachem Blick über unseren Köpfen im Karlsruher Himmel wahr. Er schwang sich auf, verwirbelte Wolkendampf in seinem Atmosphärenleib und vermochte hier und überall zu sein wie im Nu.../...Nous. Ich vermeinte flüchtig Markus’ Antlitz in ihm zu erkennen und eine Freude darüber, sich nun in Myriaden von Anschauungen frei zu schwingen und zwar fort, aber dadurch näher, wenn auch unsichtbar zu sein, vielleicht...?
Neben seiner beratenden und gestalterischen Arbeit im Züricher Architekturbüro Pfister Schiess Tropeano, im Museum für Brot und Kunst in Ulm und seinem Tun als Bühnenbildner für das spartenübergreifende Langzeitprojekt und Performance Kollektiv Die Bairishe Geisha ist Karlsruhe für Markus immer Homebase und Schreibwerkstatt gewesen; Ort konzentrierter Reflexion und spielerischer Vorschau. Sein Nachdenken und Schreiben über Architekturen lief, besonders in den letzten Jahren, gewissermaßen auf Hochtouren, famose mündliche Kostproben erhielten wir bei unseren Begegnungen von Zeit zu Zeit. Seinen Schriften ‚Tun der Architektur’, ‚Gründe, dass es eine Stadt nicht mehr geben kann’ oder ‚dächerstreit: flachdach/steildach’ wünsche ich Neuauflagen und wache zukünftige Leser:innen, die etwas vor haben.
Die Decke zum Himmel öffnen.
Die Decke zum Himmel schließen.
Beides zusammen genommen, metaphorisch und ganz reell, ist wohl das eigentliche Tun der Architektur. Und bildet ein Jetzt in diesem Zwischenraum von Utopie und Vision. Markus Grob war darin unnachahmlich, grenzenlos fantasievoll, steter Windhauch über Flussufern – ein Verwandler.
Mit den Worten Jürgen von der Wenses, einem poetisch anarchischen Erwanderer Nordhessens und mäandernd Schreibenden, möchte ich Dir zuflüstern:
„Und ich genoss die sanfte Fahrt der Erde durch den Weltraum wie in einem Ballon.
Denn hinter allem Spiele steht die allwissende Tiefe.
Jeder Raum ist der Himmelsraum.“
Nun hast Du die Räume gewechselt, Markus, mach’s gut – ade, ahoi, auf wieder-Sehen!
Juli, 2021, Tobias Kraft