Mit Miwos hat Arno Schlipf ein Tool entwickelt, das aus einem Standalone-Hardwaregerät und einer dazugehörigen App besteht und es Musiker:innen erlaubt, verschiedene elektronische Musikinstrumente miteinander zu verknüpfen und die Gerätekommunikation über kompositorische Algorithmen spielerisch zu modifizieren. Den Ausgangspunkt für die Entwicklung dieses Tools bildete Schlipfs eigene musikalische Praxis, welche sich sowohl in der akustischen als auch der elektronischen Musik bewegt. Seine Erfahrungen in diesen zwei verschiedenen musikalischen Bereichen machten es ihm möglich, die damit verbundenen Arbeitsweisen direkt miteinander zu vergleichen. So machte er die Beobachtung, dass akustische Jam-Sessions oft intuitiver und flexibler funktionieren als elektronische, da elektronische Musik meist einen starken Fokus auf ein starres Metronom hat und zudem häufig ein Computer eingesetzt wird, dessen Interface für intuitives Musizieren weniger geeignet ist.
Miwos (kurz für Midi Workstation) stellt Schlipfs Versuch dar, die Arbeitsweise akustischer Musik
auf die Produktion elektronischer Musik zu übertragen, um so die Defizite Letzterer zu überwinden.
Dabei handelt es sich um ein Gerät, das – wie herkömmlicherweise der Computer – als
Knotenpunkt eines musikalischen Setups fungiert, durch seine geringe Größe jedoch portabler und
flexibler ist. Durch die schlicht und überschaubar gehaltene Benutzeroberfläche und den
großzügigen Umgang mit den Displays ist das Gerät sehr einfach zu bedienen und bietet so die
Möglichkeit, sich während des Musizierens intensiv den eigentlichen Instrumenten zu widmen. Im
Gegensatz zum Computer handelt es sich bei den Bedienelementen von Miwos nicht um Tastatur
und Maus, sondern – wie auch bei vielen elektronischen Musikinstrumenten – um Knöpfe, Drehund
Schieberegler, deren Bedienung sich für Musiker:innen intuitiver gestaltet. Miwos ist relativ
klein und nimmt sich dadurch zurück. Gleichzeitig unterscheidet es sich durch seine runde Form
stark von den typischen, meist rechteckigen elektronischen Musikinstrumenten. Diese Abgrenzung
ist von Schlipf gewollt, denn Miwos ist kein weiteres Instrument, sondern fungiert vielmehr als ein
interaktives, kompositorisches Tool, das zwischen den Instrumenten vermittelt. Dabei hilft die App,
die das Gerät ergänzt und es erlaubt, komplexe musikalische Setups zu konfigurieren. Durch
virtuelles Verkabeln kompositorischer Module und Effekte macht die App es möglich,
Abhängigkeiten zwischen den angeschlossenen Instrumenten herzustellen und erlaubt dadurch den
Musiker:innen, sich gegenseitig zu beeinflussen. So kann beispielsweise definiert werden, dass
jedes Mal, wenn eine bestimmte rhythmische Sequenz auf einem elektronischen Schlagzeug
gespielt wird, automatisch ein Akkord auf einem Synthesizer ausgelöst wird. Oder Miwos teilt die
Noten eines Keyboards auf intelligente Weise auf mehrere angeschlossene Synthesizer auf. Das
Interface der App ist – wie auch das des Geräts – schlicht und spielerisch gehalten, wobei die
dargestellten Kompositionen eher poetisch als technisch wirken. So bietet sie – im Vergleich zu den häufig sehr technisch und überfordernd gestalteten Musikprogrammen – auch für Anfänger:innen
einen einfachen und schnellen Einstieg.
Um die vielfältigen Funktionsweisen des Geräts sowie der dazugehörigen App vorzuführen, fand
im Mai 2022 eine öffentliche Jam-Session in der HfG Karlsruhe statt.
Arno Schlipf hat Kommunikationsdesign an der HfG Karlsruhe studiert und arbeitet seit 2020 als selbstständiger Grafikdesigner und Programmierer für Künstler:innen, kulturelle Institutionen, kleine Unternehmen und NGOs. Als solcher hat er u.a. bereits an neuen Webseiten für das queere Filmfestival Pride Pictures, das Züricher Brillengeschäft Simon’s Optik sowie für die Künstler:innen Vanessa Billy und Jessica Huber gearbeitet. In seiner gestalterischen Praxis stellt er übermäßig technisierte Ansätze infrage und sucht stattdessen nach einfachen Lösungen mit geringem ökologischem Fußabdruck. Sein Ziel ist es, zeitgenössische visuelle Auftritte zu kreieren, die eine gewisse Verspieltheit erlauben und auf Details fokussieren. Wenn möglich, nutzt er dafür Open-Source-Software oder trägt zu dieser bei.