Die Arbeit Rosa 24/7 – Entwurf einer kritischen Geschichte über spätmoderne Zeitlichkeit beschäftigt sich mit der ständig wachsenden sozialen Beschleunigung und der damit einhergehenden Forderung nach permanenter Produktivitätssteigerung. Im Zentrum der Arbeit steht das 2013 erschienene Buch Beschleunigung und Entfremdung: Entwurf einer kritischen Theorie über spätmoderne Zeitlichkeit, in welchem Hartmut Rosa die kapitalistischen Zeitstrukturen und die aus diesen resultierende Entfremdung kritisch analysiert. Rosa zeigt darin auf, dass dem Zeitgewinn, der durch technischen Fortschritt erzeugt wurde, heute eine scheinbar unaufhaltsame soziale Beschleunigung gegenübersteht. Das Regime der Deadlines, welches das beschleunigte soziale Leben im Kapitalismus bestimmt, führt ihm zufolge zu einer Entfremdung des Menschen von Raum, Zeit, Dingen und Handlungen sowie von anderen und sich selbst.
Rebecca Zink übersetzt diese Gesellschaftsdiagnose Hartmut Rosas in ihrer Arbeit Rosa 24/7 in einen 128-seitigen Comic, der die Geschichte einer fiktiven Begegnung zwischen einem Menschen und dem Mond erzählt. Die Geschichte beginnt damit, dass der Mensch, der aufgrund einer Deadline am nächsten Morgen eine Nachtschicht einlegt, frustriert und erschöpft eine Zigarettenpause macht. Mehr rhetorisch als ernst gemeint fragt er dabei den Mond, ob dieser nicht auch schon mal darüber nachgedacht habe, einfach zu kündigen. Zur großen Überraschung des Menschen antwortet der Mond. Doch noch überraschender als die Tatsache, dass der Mond sprechen kann, ist, dass er die Frage verneint, stattdessen von den technischen Fortschritten der Menschheit schwärmt und versucht, den Menschen von den positiven Effekten der Beschleunigung zu überzeugen. Der penetrante Verkäufer Hartmut, auf den der Mensch kurze Zeit später in einem Spätkauf mit dem titelgebenden Namen Rosa 24/7 trifft, versucht ihn hingegen vom genauen Gegenteil zu überzeugen. Hin- und Hergerissen zwischen den Meinungen Hartmuts und des Mondes versucht der Mensch sich durch eine Meditations-App zu entspannen, landet dabei jedoch in einem Nicht-Ort ohne jegliche Geschichte und Erinnerung. Da dieser Ort schließlich auch den Mond dazu bringt, die soziale Beschleunigung kritisch zu hinterfragen, legen die beiden noch eine gemeinsame Raucherpause ein, bevor sie sich wieder an die Arbeit machen.
Die fiktiven Charaktere, der reduzierte Zeichenstil und die humoristischen Elemente des Comics folgen in erster Linie dem Ziel, emotionale Bezugspunkte zu schaffen, um so den Einstieg in die komplexe Theorie Rosas zu erleichtern. Um die emotionale Identifikation der Leser:innen mit dem Comic weiter zu verstärken, präsentierte Zink diesen innerhalb einer Installation, welche die zentralen Elemente der Geschichte – die Leiter, den Mond und die Zigaretten – ins Räumliche übersetzt und die Betrachter:innen wortwörtlich in die Position des Hauptcharakters versetzt. Über die emotionale Identifikation hinaus verschafft die Installation durch ihre ruhige Atmosphäre auch die Möglichkeit, sich bewusst eine Pause von den täglichen Verpflichtungen zu nehmen, um den Comic zu lesen oder auch einfach nur auf den an Wartebänken angelehnten Sitzmöbeln zu verweilen. Die im Rahmen der Installation ausgestellten Zigaretten, welche von Zink aus Ton nachgebildet wurden und von den Betrachter:innen als Souvenirs mitgenommen werden können, erinnern die Betrachter:innen auch lange nach dem Lesen des Comics noch an die darin erzählte Geschichte und die Notwendigkeit von Pausen.
Rebecca Zink hat Kommunikationsdesign an der HfG Karlsruhe studiert. Seit 2018 arbeitet sie als selbstständige Gestalter:in mit einem Fokus auf Printmedien, Drucktechniken und Illustration. Im Mittelpunkt ihrer gestalterischen Praxis, welche sich an der Schnittstelle von analogen und digitalen Arbeitsmethoden bewegt, stehen häufig soziale und gesellschaftliche Fragestellungen.