Dass Manipulation, die Beeinflussung von Meinungen oder Verhaltensweisen eines anderen ohne dessen Wissen, moralisch verwerflich ist, scheint auf den ersten Blick kaum eine Frage wert zu sein. Und doch finden sich manipulative Interventionen heute beinahe überall und sind dabei weitgehend akzeptiert. Ob durch die Platzierung teurer Produkte auf Augenhöhe im Supermarktregal oder die vordefinierte Auswahl bei Pop-Up-Fenstern im Internet – unser Verhalten wird heute beinahe immer und überall durch Gestaltung und Kommunikation beeinflusst. Während das verhaltenspsychologische Wissen, dass diesen Interventionen zugrunde liegt, zwar missbraucht werden und so zu negativen Konsequenzen führen kann, wird es teilweise auch für gute Zwecke verwendet. So führte beispielsweise die Einführung einer Default-Option in Organspende-Registern in einigen Ländern bereits dazu, dass mehr Menschen sich dafür registrierten. Wie dieses Beispiel zeigt, ist die Frage nach der Ethik der Manipulation bei Weitem nicht so leicht zu beantworten, wie dies am Anfang erscheint: Ist Manipulation auch dann unangemessen, wenn sie Leben rettet? Und falls nicht, wo verläuft dann die Grenze zwischen unangemessener und angemessener Manipulation?
Diese Fragen stehen im Zentrum von Tatjana Pfeiffers Buch Manipulative Interventions – An Examination of four behaviour-influencing communication principles from a graphic designer’s perspective. Den Ausgangspunkt bildet dabei der vom Behavioural Insights Team herausgegebene Leitfaden EAST – Four simple ways to apply behavioural insights, in welchem manipulative Interventionen erläutert werden, die in der Politik getestet und durchgeführt werden. Die vier titelgebenden, das Verhalten beeinflussenden Prinzipien „make it Easy, Attractive, Social and Timely“, die in diesem Leitfaden beschrieben werden, bilden – gerahmt von einer Einleitung und einem Fazit – die Hauptkapitel von Manipulative Interventions. Da der Ratgeber dem Thema der Verhaltensbeeinflussung jedoch überwiegend unkritisch gegenübersteht, stellt Pfeiffer diesen Prinzipien sowohl negative als auch positive Anwendungsbeispiele gegenüber, sodass ein neuer Text entsteht, der die Ambivalenzen der Manipulation hervorhebt. Neben der Untersuchung der Grenze zwischen angemessener und unangemessener Manipulation steht darin besonders die Frage im Vordergrund, wie sich Nutzer:innen und Konsument:innen, aber auch Grafikdesigner*innen der allseits präsenten Verhaltensmanipulation gegenüber positionieren und verhalten können. Im Fazit kommt Pfeiffer zu dem Schluss, dass es zwar unmöglich ist, sich der Manipulation gänzlich zu verschließen, es aber von absoluter Wichtigkeit ist, sich deren Prinzipien bewusst zu werden bzw. sie bewusst zu gebrauchen. Diese Erkenntnis findet sich nicht nur auf der inhaltlichen Ebene, sondern auch in der grafischen Gestaltung des Buches wieder. So hat Pfeiffer neben der Illustration des Textes durch thematisch passende Bilder, Memes und Collagen auch die im EAST-Leitfaden erläuterten Prinzipien auf die Gestaltung des Buches selbst angewendet. Anstatt diese jedoch – wie in ihrer alltäglichen Anwendung – zu verschleiern, werden sie in Manipulative Interventions – beispielsweise durch das Abdrucken digitaler Pop-Up-Fenster – sichtbar gemacht. Auf diese Weise ermöglicht Manipulative Interventions den Leser:innen nicht nur, die Prinzipien der Manipulation rational zu verstehen, sondern auch, sich der eigenen, meist automatischen und unbewussten Reaktionen auf diese bewusst zu werden.
Tatjana Pfeiffer hat Kommunikationsdesign an der HfG Karlsruhe studiert und arbeitet seit 2022 in der Kommunikations- und Marketingabteilung des Badischen Staatstheaters sowie als selbstständige Grafikdesignerin. Ihre gestalterische Praxis lässt sich nicht auf einzelne Themen oder Medien festlegen, denn sie lebt vom Eintauchen in immer neue Bereiche und dem Annehmen der damit verbundenen Herausforderungen. So reichen ihre Projekte von der Erstellung von Webseiten und der Entwicklung von Schriften bis hin zu Publikationen und der Arbeit mit 3DRenderings.