Christian Claus Werke scheinen sich auf den ersten Blick auf die Ästhetik der Gegenwart zu beziehen. Doch beschäftigt er sich in ihnen mit der Zeit der Oktoberrevolution in Russland im Jahr 1917. Die Klebeband-Leinwände von Christian Claus nehmen Bezug auf den Künstler Kasimir Malewitsch, der während dieser Epoche in Russland lebte. Zudem setzt er sich mit dem russischen Religionsphilosoph, Priester, Mathematiker und Kunstwissenschaftler Pavel Florenskij auseinander. Jedes seiner Bilder beginnt mit einem (schwarzen) Quadrat, angelehnt an die Werke von Malewitsch. Die Werke werden dabei jedoch in der Hängung einer Ikonenreihe in Florenskijs Klosterkathedrale nachempfunden. Zwei unterschiedliche bedeutende Charaktere einer Epoche treffen in neuem Kontext aufeinander und werden durch das Stichwort der Ikone in Zusammenhang gebracht.
Die Stimmung ist so dunkel wie möglich und der Raum klanglich erfüllt durch weißes Rauschen. Das hier gezeigte Werk zeigt einen kleinen Ausschnitt dieser ursprünglichen Installation. Russland im Jahr 1917: Die Oktoberrevolution beschert dem Land einen fundamental-historischen Umbruch. Literatur, Kunst, Religion und generell das soziale Leben werden rasant auf einen neuen Kurs gebracht. Die Religion wird sogar unterdrückt und deren Einflussnahme radikal beschnitten. Was nun als konform mit dem Bolschewismus gilt, bekommt die volle Unterstützung der neuen Obrigkeit.
Ähnlich ist es auch dem Künstler Kasimir Malewitsch ergangen, dessen neue Impulse für die Kunst durch radikale Ansätze der Avantgarde (seit ca. 1913) begleitend zu den revolutionären Impulsen entstanden sind. Seine Kunst ist geprägt durch reine Farbfelder und Kompositionen mit einfachen geometrischen Formen ohne Perspektive; sozusagen die Kunst des Ungegenständlichen.
Mit Beginn von Stalins Herrschaft wird Malewitsch‘ Suprematismus jedoch verboten und der Realismus wird als Staatskunst deklariert. Malewitsch fügt sich und malt wieder gegenständlich.
100 Jahre später ist neben Malewitsch eine weitere Person dieser Zeit von Bedeutung für das Werk von Christian Claus. Es ist der orthodoxe Priester und Wissenschaftler Pavel Florenskij, der – obwohl unter der neuen, russischen Regierung bedroht lebend – stets im Priestergewand auftritt und das verteidigt, was er für das Erstrebenswerteste hält: Ein Leben im Kloster. Dort, wo jene Künste ihre Heimat haben, die er am meisten verehrt: die Ikonenmalereien der vergangenen Jahrhunderte.
Christian Claus alias 2xC wurde 1982 in Kassel, Nordhessen, geboren. Im Laufe seines Studiums der Medienkunst an der HfG Karlsruhe befasste er sich überwiegend mit klanglich-performativen Arbeiten, entdeckte aber 2011 sein Interesse für das Medium Klebeband, mit dem er seine Ideen - beeinflusst durch russische Avantgarde, wie Konstruktivismus und Suprematismus - perfekt umgesetzten konnte. 2017 schloss er sein Medienkunst-Studium mit der Installation „Grab One Terrene Thought And Let It Slide To Eternal Nothingness”, kurz „gottalisten”, ab.
Er schuf dabei einen Ort der Kontemplation, eine Utopie, bei der der Einfluss Malewitschs, mit der „nackten ungerahmten Ikone seiner Zeit” auf die strenge Welt eines russischen Klosters und somit der Lebensumgebung Pavel Florenskijs traf. Gegenstandslosigkeit in der Avantgarde und auf der anderen Seite Ikonentradition der Orthodoxie. Dabei ist für ihn die Frage der Perspektive bedeutend. Christian Claus lebt und arbeitet in Karlsruhe.