Die Arbeit „Emin“ entstand in Istanbul im letzten Jahr. Was führte dich nach Istanbul und wieso hast du dich mit der Stadt beschäftigt?
Die Türkei, besonders Istanbul, ist ein Ort des Umbruchs sowohl politisch als auch kulturtechnisch gesehen. Aufgrund aktueller Geschehnisse wehen vor allem derzeit neue Winde in den Köpfen Istanbuls. Niemand weiß genau, wie es weiter gehen wird, ob es weiter gehen wird oder wann es weiter gehen wird. Das ständige Hin und Her, das ständige Vor und Zurück spiegelt sich nicht nur in den Aussagen der BewohnerInnen sondern auch im Stadtbild. Der Stau, die Dichte, die Hektik der Stadt bringt die Menschen an ihre Grenzen und trotzdem können sie sich einfach nicht von ihr abwenden. Die Stadt hat eine ganz besondere Qualität, die mir sonst in keiner anderen Stadt widerfahren ist.
Durch die vier ProtagonistInnen entstehen unterschiedliche Perspektiven auf die Stadt und die Situation in der Türkei. Wie hast du die Personen ausgewählt?
Auf meiner zehntägigen Reise führte ich insgesamt neunzehn Interviews. Drei davon sind Bekannte von mir. Meine ersten Begegnungen machte ich auf dem großen Basar. Dort war es besonders einfach, einen Anschluss zu bekommen, zuerst begann ein Dialog über die angebotenen Waren, was sich dann schnell bei einem Tee zu einem vertrauten Gespräch entwickelte. Die Menschen in der Türkei haben ein ganz anderes Verständnis von Gastfreundschaft – selbst Fremde werden nach kürzester Zeit sehr freundschaftlich empfangen. Eine Distanz zu Fremden existiert quasi nicht. So entstand organisch ein kleines Netz von Bekanntschaften quer durch Istanbul.
Welche Aspekte waren Dir wichtig im Umgang mit den Aufnahmen und in der Präsentation der Arbeit?
Besonders wichtig war es mir, einen Einblick in die Köpfe der Stadt zu ermöglichen, die Interviewparts sind fragmentiert hinter einander geschaltet und ergeben als Ganzes einen zusammenhängenden Erzählstrang. So ist auf meiner Reise eine Collage der Stadt entstanden, die einen sehr persönlichen Eindruck der momentanen Situation im Land widerspiegelt. Die besondere Präsentationsform – der zwei Projektionen, die schräg zueinander stehen – entwickelte sich aus meinem Empfinden gegenüber der Stadt. Die Hektik, das immer wiederkehrende Element des Staus und die diffuse politische Situation spiegeln sich in dieser unbequemen Positionierung der Bildschirmflächen wieder. Das ständige Hin und Her der Erzähler und der Untertitel verstärken dieses Gefühl für den Betrachter. Ein wichtiges Element meiner Arbeit bestand darin, das Gefühl der Verwirrung und der Überforderung zu transportieren.
Ebru Erdem studiert Ausstellungsdesign und Szenografie. In ihrer künstlerischen Praxis bezieht sie sich stark auf Beobachtungen: sei es der Stadtraum, Ausstellungssysteme oder das Verhalten von Hausfrauen in Zumba-Kursen.