Der Körper als Inszenierungsmittel oder „mise en scène” ist seit Beginn des Films eines der wichtigsten narrativen Werkzeuge. Bewegung, Ausdruck und Präsenz machten das Kino zu einem eindringlichen, körperlichen Erlebnis. Der Körper des/der Schauspieler(s)In und der/die SchauspielerIn als Körper bilden den Schwerpunkt der Arbeit von Yannick Nuss.

HARD BODIES versucht mit filmwissenschaftlichen Analysen und filmischen Inszenierungstechniken das Phänomen des amerikanischen Actionfilms der 1980er Jahre aus geschlechterwissenschaftlicher, soziokultureller und politischer Perspektive zu hinterfragen. Der Schwerpunkt des Buches liegt in erster Linie auf der visuellen Darstellung von männlichen, weiblichen und künstlichen (Cyborgs) DarstellerInnen und ihren Bezügen zu sozialen und politischen Entwicklungen. Unter HARD BODIES versteht man einen filmischen Raum, in dem der Gebrauch von Bewegung und Körperlichkeit spürbar wird.

Das Ende des Vietnamkrieges und die daraus resultierende moralische Krise in Amerika, der Watergate-Skandal und die Carter-Jahre prägten das Selbstbild des männlichen Amerikas. Mit der Wahl von Ronald Reagan 1981 begann ein Umdenken. „Reagonomie“ und Reagans Selbstdarstellung als ultimativer Macho-Präsident spiegelten sich in dem damaligen Kino wider. Nach der zunehmenden Popularität des Bodybuildings in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren und dem beginnenden Fitness-Hype und Körperkult dominierten muskulöse Helden die Kinosäle, um die Ideale eines erstarkenden Amerikas zu verteidigen. Gleichzeitig begann mit dem Aufkommen der zweiten und dritten feministischen Bewegungen, der ERA und der Frauenrechtsbewegung eine noch bewusstere und öffentlichere Diskussion über die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Mainstream-Actionfilme begannen, Frauen als aktive Charaktere in ihre Erzählungen einzubeziehen, was zu einer Verschiebung von der bis dahin definierten passiven Opferrolle hin zu einer eigenständigen Art von Charakter innerhalb des Genres führte: der Actionheldin. Mit ihrem unerwartet selbstbewussten Auftreten forderte die Actionheldin sowohl Zuschauer als auch Kritiker auf, Themen wie Geschlechtergrenzen, Körper- und Geschlechterrepräsentationen und Rollenklischees zu diskutieren. Beide Entwicklungen prägen das populäre Kino der 1980er Jahre und führen zu einer Dualität innerhalb des Genres. Nuss verfolgt die Entwicklung des weißen männlichen Helden in Actionfilmen bis zu seiner Transformation in den 1990er Jahren zu einem neuen Helden-Typus, der Vaterfigur. Gleichzeitig wird der Aufstieg der Actionheldin filmtheoretisch beleuchtet, kontextualisiert und hinterfragt. Zeitdokumente, Magazine, Interviewfragmente und Anzeigen werden mit Szenen, Filmcharakteren, Stereotypen und Rollenklischees collagiert.

Diesen Überlegungen stehen die Drehbücher der beiden Terminator-Filme (The Terminator (1984), Terminator 2: Judgement Day (1991)) gegenüber. James Cameron (der später Alien (1986) drehte und schließlich Sigourney Weaver als Actionheldin etablierte) verwandelte Arnold Schwarzenegger, die ultimative Verkörperung der Figur des weißen, muskulösen, männlichen Actionhelden, in eine futuristische Killermaschine. Die bisher übliche Darstellung eines Helden ist zu einer Bedrohung für die gesamte Menschheit geworden. Gleichzeitig lässt er im Laufe des Films auch alle anderen männlichen Heldenrollen hinter sich, um uns die wahre Heldin des Films vorzustellen: Sarah Connor (Linda Hamilton). Mit Terminator 2, sieben Jahre später, setzt sich diese Entwicklung fort und Sarah Connor ist zweifellos als Actionheldin etabliert, während der von Arnold Schwarzenegger gespielte Killerroboter schließlich die Rolle der fürsorglichen Vaterfigur übernimmt. Durch diese Parallelität können beide Filme nicht nur als Kommentare zum Genre und zur sozialen Landschaft gelesen werden, sondern dienen auch als Start und Endpunkt einer Ära des amerikanischen Kinos bzw. der Popkultur.

Das letzte Drittel des Buches untersucht das Konzept des Cyborgs innerhalb der Handlungserzählung, insbesondere seine Rolle als muskulöser, weiblicher und männlicher Darsteller, um sie im Kontext von Nusses früherer Forschung zur Geschlechterrepräsentation zu hinterfragen. Leider bildet die auf festen Vorbildern basierende binäre Geschlechtersegregation die Grundlage für filmische Inszenierungen und filmtheoretische Analysen. Mittels der Figur des Cyborgs lassen sich diese überwinden. Donna Haraways „A Cyborg Manifesto“ und Judith Butlers „Gender Trouble“ bilden die Grundlage für Spekulationen über künstliche „cross-gender“ Lebewesen, die geschlechtsspezifische Grenzen überschreiten.

Die Darstellung der Inhalte der Arbeit ist nicht an eine klassische Buchstruktur gebunden, sondern basiert auf visuellen und insbesondere filmischen Darstellungen von Actionfilmen der 1980er Jahre. HARD BODIES versteht sich als filmischer Raum, in dem Bewegung und Körperlichkeit greifbar werden. Im Vordergrund steht eine Gesamterzählung, die anstelle einer didaktischen Inhaltsvermittlung einem in sich geschlossenen kinematografischen Fluss folgt, der sich sowohl um den Körper als auch mit ihm dreht. Charaktere aus Actionfilmen, echte Persönlichkeiten aus der amerikanischen Politik, der Filmtheorie und der Geschlechterforschung kommen zu Wort und werden zu Akteuren innerhalb der sich überschneidenden Erzählstränge des Buches.

Publikation
Autor/Design: Yannick Nuss
Betreuung: Sereina Rothenberger, Rebecca Stephany
Veröffentlichung: 2019
Spector Books Leipzig
US-Letter (215,9 mm x 279,4 mm)
600 Seiten
Softcover
Sprache: Englisch