„Werkzeuge haben drei Funktionen: etwas herzustellen, dadurch die Umwelt zu verändern, den sie benützenden Menschen zu verändern. Die erste Funktion ist die beabsichtigte, die zweite und dritte sind unbeabsichtigte Folgen der ersten.“
Das genannte Zitat stammt von Vilém Flussers aus einem Manuskript zu seinem Vortrag Rückschlag der Werkzeuge auf das Bewusstsein.
Mit diesem Rückschlag der Werkzeuge, der von Menschen kreierten Objekte, Verlängerungen der Hände, Finger, Gedanken, Nerven, Wünsche, Träume, Mangelzustände und Defizite setzte sich Anina Rubin in ihrer Arbeit auseinander.
Da unsere Kreationen Verlängerungen von uns sind und wie Eva aus Adams Rippe Menschen aus anderen Menschen entstehen, könnte man diese auch als Spiegel unserer Gattung bezeichnen. Man könnte vermuten, dass wir ohne die Präsenz von Spiegeln gar nicht wüssten, wer wir sind. Wie sehen wir tatsächlich aus? Durch das Betrachten der Anderen kann man Teile des Selbst auch ohne Spiegel vergleichen, enttarnen und identifizieren. Das Kennenlernen des Selbst durch eine außenstehende Person verlangt jedoch eine gewisse Wertschätzung und Offenheit, da diese Person genauso frei ist wie man selbst und somit jederzeit die Präsenz, die Nähe, verlassen kann. Sobald die außenstehende Person diese Nähe verlässt, ist der Kontakt des Kennenlernens und Erkennen-Wollens unterbrochen.
Werkzeuge und Maschinen sind in diesem Zusammenhang nicht frei. Sie stehen und bleiben da, wo das Subjekt Mensch sie hinstellt. Dies hat aber auch zur Folge, dass der Mensch sie aushalten muss. Er verantwortet die Entscheidung des Verlassens und muss die Verantwortung für ein Werkzeug gegebenenfalls von einem anderen Menschen übernehmen.
Zwar kann der Mensch auch seine Freiheit nutzen und den Maschinen den Rücken zukehren – wenn jedoch in allen Räumlichkeiten und Ecken seines Umfelds Werkzeuge und Maschinen stehen und sich bei dem Netzwerk zwischen Menschen, in dem sich das Subjekt befindet, schon eine Abhängigkeitsstruktur von den Werkzeugen entwickelt hat, entsteht durch die Rückenzukehr zwar Freiheit aber auch ein Zustand der Isolation.
Eine Lösung dieser Zwickmühle wäre, die neue Spezies „Maschine” auf mehreren Ebenen willkommen zu heißen und zu integrieren, vor allem auch im geistlichen und nicht wie bisher nur im physischen Bereich. Dieser physische Bereich beinhaltet die materiellen Themen, also auch die der finanziellen Gewinnbringung. Die Entstehung der Werkzeuge und Maschinen ist eine Folge des menschlichen Willens, Energie (Zeit, Geld) einzusparen, um mehr Energie (Zeit, Geld) für andere Bereiche einsetzen zu können.
Wird dieser Vorgang der Integration bewusst vom Menschen genutzt, hat dieser die Möglichkeit, im Prozess des Heranwachsens der Maschinennetzwerke sein Selbst auf mehreren Ebenen kennenzulernen bevor der von Flusser angesprochene „Rückschlag der Werkzeuge“ zur Konfrontation führt.
Man kann verhindern, dass dieser Rückschlag zu einem wirklichen Rückschlag wird, indem man bewusst die Folgen der Verlängerungen der menschlichen Hände, Finger, Gedanken, Nerven, Wünschen, Träumen, Reichtümern und Errungenschaften erwartet.
Im Sinne einer erweiternden Hermeneutik hat Anina Rubin eine Leidenschaft zum Programmieren von mini Computern (Arduino, Rasperri Pi, Calliope) und Apps entwickelt, um Möglichkeiten des Umgangs mit der neuen Spezies „Werkzeug“ in mystischen und geistlichen Bereichen auszuprobieren.
Dabei geht es ihr darum, Brücken zu bauen zwischen einem Land altertümlicher Wurzeln, Klänge und Gebete und einem Land der Möglichkeiten, der Klarheit und Buntheit, die die noch so jungen, neuen digitalen Sphären mit sich bringen. Man kann sich das Projekt #opensourcepraying wie eine Kollektion hermeneutischer Regenbögen vorstellen.
Installation aus Glas, Elektronik, Stahl und Beton
Seminar “Körperlichkeit & Abstraktion” betreut von Daniel Irrgang und Matthias Mai
Danke an das asta, das bei der Finanzierung des Projekts geholfen hat.