Oft übersehen und doch immer präsent: Tags und Throw-ups sind visuelle Reize aus unserem alltäglichen Umfeld. Trotz ihrer Allgegenwärtigkeit und oftmals grellen Farben rücken sie stark in den Hintergrund und werden unter¬bewusst übersehen. Sie dienen der Reviermarkierung – zu finden sind Buchstabenkombinationen, die Alias für Namen oder Gruppierungen sind, sowie politische Symbole oder Zahlenkombinationen. Diese sind neben Daten und Alphabetstellen auch Kürzel für Postleitzahlen; also Reviere im überörtlichen Sinne. Im Vergleich zu aufwendig gestalteten Graffiti verfolgen Tags ein Konzept, das ortsungebunden funktioniert. Sie müssen im Vorhinein einstudiert werden, um dann schnell und impulsiv angebracht werden zu können. Häufig geht deshalb der Wiedererkennungswert der Lesbarkeit vor.
Die gesellschaftliche Meinung über Tags und Throw-ups ist von einem stark negativen Bild geprägt. Da es sich oftmals um Vandalismus oder mutwillige Zerstörung handelt, wird ein eventueller ästhetischer Mehrwert missachtet.
Durch Imperfektionen, impulsives Auftragen, diverse Kombinationen von „Bildträgern“ und Werkzeugen sowie unterschiedlichen Auftragstechniken entsteht eine unvorstellbare Vielfalt von spannungsvollen Momenten.
Um diesen Elementen ihre Wertigkeit zuzuschreiben, werden sie vom öffentlichen und fremdgestalteten Kontext gelöst und in ein persönlicheres Umfeld gebracht – in Form einer Tapete in den selbstgestalteten Raum. Sowohl Streettags als auch Tapeten bedienen sich diverser Farbigkeiten und wirken aus dem Hintergrund.
Mit dem Projekt „unseen aesthetics“ wird illegal zu legal, fremdgestaltet zu initiativ individuell und öffentlich zu privat.
Gelöst vom Wort und dessen Bedeutung wirkt die Tapete durch Formsprache und Wiederholung, gleich wie sich das Throw-up auf der Straße selbst verhält. Wichtig war es dabei, keine bestehenden Tags zu reproduzieren. Die Tapeten sind als fortlaufender Rapport konzipiert, um eben diese Wiederholung zu untermalen. Zur Ausstellung wurden drei Tapeten präsentiert, welche die visuell prägenden Elemente stellvertretend neu arrangieren. So treffen herunterlaufende Tropfen zu dick aufgetragener Sprühfarbe auf die Oberfläche eines ver¬witterten Verteilerkastens, gerade und akkurate Linien eines breiten Filzstiftes auf verrostete Metalloberflächen, erzeugen verschiedene Abstände, Winkel und Überlagerungen eines Sprühkopfes unterschiedliche Partikeldichten. Während der Präsentation wurden die Tapeten frei zugänglich einem öffentlichen Publikum bereitgestellt, mittels QR-Code konnten die Vorlagen heruntergeladen werden.
Betreuung: Prof. Rebecca Stephany & Prof. Ivan Weiss und Prof. Michael Kryenbühl