„Heute erleben wir den Übergang von einer schriftlichen zu einer cyberoralen und von einer organischen zu einer digitalen Gesellschaft, aber auch von einer industriellen zu einer immateriellen Ökonomie, von einer Form der disziplinarischen und architektonischen Kontrolle zu mikroprothetischen und medial-kybernetischen Kontrollformen.“ (Paul B. Preciado, Vom Virus lernen, in: Ein Apartment auf dem Uranus. Chroniken eines Übergangs, Berlin 2020, S. 357.)
In ihrer Zwischenprüfung befasste sich Eva Scholl mit Körperpolitiken und Überwachungstechnologien im Kontext des zeitgenössischen Kunstdiskurses. Dabei setzte sie sich mit den Überlegungen zur Biopolitik von Michel Foucault und Paul B. Preciado auseinander. Als Hauptwerk ihrer Analyse diente die Ausstellung 3x3x6, die den taiwanesischen Pavillon auf der 58. Biennale de Venezia im Jahr 2019 repräsentierte. Ein Ziel der Ausstellung war es, durch digitale Strategien wie Gender- und Race-Morphing die Tradition der kolonialen und anthropometrischen Identifizierungstechniken zu unterbrechen, wie beispielsweise Alphonse Bertillons kriminologische Fotografie des 19. Jahrhunderts oder die der heutigen Gesichtserkennungstechnologien. Darüber hinaus bezog sie zwei weitere künstlerische Positionen von Julia Scher und Tabitha Rezaire zur Kontextualisierung der Ausstellung mit ein, die die psychologischen und gesellschaftspolitischen Auswirkungen der heute allgegenwärtigen Überwachungskultur sowie die historische Ausbeutung des Körpers, insbesondere des Mutterleibes, welcher heute noch der Kontrolle durch den medizinisch-rechtlichen-industriellen Komplex unterworfen ist, thematisieren.
Betreuung: Dr. Lioudmila Voropai, Ariana Dongus