In der Biologie des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff der Symbiose als eine von mehreren bestimmten Arten zu leben verstanden. Der Begriff des Holobionten – popularisiert durch Lynn Margulis – verweist darauf, dass die Symbiose vielmehr die Grundbedingung des Lebens ist. Der Holobiont beschreibt eine symbiotische Verbindung verschiedener Arten, die zusammen einen neuen Organismus bilden und für dessen Erhalt unerlässlich sind.
Ein bekanntes Beispiel ist die gegenseitige Abhängigkeit von menschlichen Zellen und Bakterien im Darm. Darüber hinaus wird der Mensch aber auch auf der Haut, im Mund und generell überall von Bakterien besiedelt, die den Menschen gesund und am Leben erhalten.
Nach diesem Beispiel ist der Begriff des Individuums nicht aufrechtzuerhalten: Das Individuum [von lateinisch: individuus, unteilbar] fördert die Vorstellung eines autonomen und homogenen Organismus. Anders verhält es sich mit dem Konzept des Holobionten, das die Heterogenität des Organismus und seine Abhängigkeit von seinen Symbionten ausdrückt.
Lena Reitschuster zeichnet in ihrer Masterarbeit die Begriffs- und Ideengeschichte des Holobionten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nach. Im Kontext der Klimakrise gewann der Begriff sowohl in der Biologie als auch in der Philosophie an Bedeutung und steht für die Suche nach einem neuen Denken über das Verhältnis zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren.
So analysiert Lena Reitschuster in ihrer Magisterarbeit das transformative politische Potenzial des Holobionten und gibt tiefe Einblicke in ideologische Prämissen in der Geschichte der Biologie, verweist aber auch auf die Notwendigkeit, Geschichte neu zu schreiben, wenn wir unsere gegenwärtige Existenzweise grundlegend verändern wollen.