Die deutsche Zivilschutzübung Fallex 66 aus dem Jahr 1966, die mit der alle zwei Jahre stattfindenden Nato-Übungsreihe verbunden war, war anders – erstens, weil sie im gerade fertiggestellten Regierungsbunker stattfand; zweitens, weil die intensiv umstrittenen Notstandsgesetze (in Kraft getreten 1968) durch ein fiktives 'Notstandsparlament' erprobt werden sollten.
Inmitten der Studenten- und Gewerkschaftsproteste gegen die Notstandsgesetze war diese Übung ein als Vorverurteilung empfundenes Störungsmoment, das die vorgeschriebenen demokratischen Prozeduren ausließ und damit als Symbol für die zu erwartende undemokratische Politik einer Notstandsregierung wirkte, die darauf hinwies, dass das von den Protestierenden am meisten gefürchtete Szenario nicht ein Atomkrieg, sondern eine langsame Umwandlung der Demokratie in eine Technokratie sei.
Eine Untersuchung der journalistischen Rezeption zeigt jedoch, dass der Als-ob-Modus der Übung ohne jede Systematik diskutiert wurde. Zu den Zuschreibungen gehörten: (Rollen-)Spiel / (Kriegs-)Spiel, Probe/Test und Übung. Diesen Termini gemeinsam sind oszillierende Subjekt-Objekt-Modalitäten, eine Unbestimmtheit zwischen Fiktion und Realität und ein sicherer Platz in der ästhetischen Disziplin.
1966 gewannen sie jedoch an politischer und juristischer Aktualität, denn es handelte sich nicht nur um eine Prüfung der Gesetze, sondern auch um eine Schulung des Imaginären der TeilnehmerInnen. Auch wenn der Vorwurf der Manipulation hier zu aggressiv ist, wurde durch die körperliche Einbindung des/der PolitikerIn in die Übung, die immersive Atmosphäre des Bunkers und die die Fähigkeiten beeinflussenden Szenarien eine nicht-rationale Form der Wissensvermittlung installiert.
Ich verfolge die Hypothese, dass die Verschmelzung von fiktionalen und realen Elementen im Szenario, verbunden mit einer körperlichen und emotionalen Immersion, die Kraft hatte, die Diskussion um die Notstandsgesetze zu beeinflussen.
Ausgebildet in Kunsttheorie, Ästhetik und politischer Theorie ist es mein Forschungsziel, das komplexe Netz aus fiktionalen und imaginären Dimensionen zu verstehen, das in dieser Übung am Werk war, und damit einen Beitrag zu der Frage zu leisten, wie eine Übung politische und rechtliche Landschaften gestalten kann.