Ein Produkt zu konsumieren, ganz gleich ob Gegenstand, Nahrung oder Dienstleistung, ist eine politische Handlung. Die eigene Konsumentscheidung unterstützt ein komplexes System hinter einem Produkt – ein Metaprodukt – sowohl finanziell als auch gesellschaftlich. Auf der Suche nach den Spuren, die das eigene Handeln hinterlässt, entsteht das Projekt SPUREN FOLGEN.
In dem Projekt untersucht Severin Geißler das Phänomen Produkttransparenz als Tätigkeits- und Forschungsfeld für visuelle Kommunikation. Wie transparent kann ein Produkt sein? Wie viele Informationen kann man über einen Gegenstand sammeln und welche visuellen Strategien eignen sich für deren Vermittlung? Welche Rolle spielt Gestaltung bei dem Bestreben nach mehr Transparenz? Lassen sich mehr Informationen mit höherer Transparenz gleichsetzen?
Diesen Fragen widmet sich das Projekt am Beispiel eines Schuhs, handwerklich hergestellt in der Schuhwerkstätte WURZLN in Halle. Die resultierende Website beleuchtet den Schuh in mehreren Kapiteln aus vielfältigen Perspektiven und versucht so, eine möglichst umfangreiche digitale Repräsentation zu erzeugen und das Metaobjekt „Schuh“ abzubilden.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts stellt der britische Sozialphilosoph John Ruskin die Frage „What’s behind a product?“. Er versucht, auf die Entfremdung von Produkten durch zunehmende Industrialisierungsprozesse und Arbeitsteilung aufmerksam zu machen und folgt damit Karl Marx' Theorie der Entfremdung. Heute gewinnt diese Frage durch den wiederbelebten Umwelt-Diskurs neue Bedeutung.
Digitalisierung und globale Lieferketten zerteilen die Wertschöpfungskette zusätzlich, machen sie undurchschaubar und verstärken die Entfremdung. Die Forderung nach Transparenz, die Ruskins’ Frage zugrunde liegt, wiederholt sich auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Um klimagerecht und sozial konsumieren zu können, stellt Produkttransparenz ein entscheidendes Handlungswerkzeug für zivilgesellschaftliche Akteur:innen dar.
Produkttransparenz meint die umfassende Kommunikation der Produkteigenschaften, vor allem das Sichtbarmachen der unsichtbaren Eigenschaften, wie z. B. der gesamten Wertschöpfungskette. Welche Menschen sind in den Herstellungs- und Konsumprozess involviert? Unter welchen Bedingungen führen sie diese Prozesse aus? Wann und wo finden Produktion und Konsum statt? Welche Ressourcen wie Zeit, Material, Technologie und Wissen werden benötigt? Wie wirkt das Produkt auf den menschlichen Körper? Welche gesellschaftlichen Normen werden durch die Ware erzeugt oder reproduziert? Wie sieht der Lebenszyklus des Produkts von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung aus?
Produkttransparenz macht das System hinter dem Produkt sichtbar und ermöglicht dadurch, die Ursprünge der Ware zu erkennen und den Wert des Produktes neu wahrzunehmen. Sie hilft, die Folgen des eigenen Handelns zu verstehen und schließlich eine bewusste Konsumentscheidung zu treffen.
Danke: Arno Schlipf, Alessa Wilhelm und Theresa Theobald, Tibor Weissmahr, Lena Haselmann, Lydia Kähny, Helene Lauppe, Hans-Peter Lutsch, Béla Meiers, Isabel Motz, Leonie Mühlen, Hanna Müller, Troy Nachtigall, Yannick Nuss, Felix Plachtzick, Anna Rakemann, Kathi Rüll, Rebecca Zink
Betreuung: Prof. Rebecca Stephany, Prof. James Langdon, weitere Unterstützung durch Prof. Michael Kryenbühl und Ivan Weiss, Prof. Matthias Bruhn, Prof. Susanne Kriemann, Prof. Füsun Türetken, Prof. Mario Minale, Katharina Wahl