Performer*innen vor dem Torre Fiat (© Laura Maureen Weser)
Am Strand von Marina di Massa, in der nördlichen Toskana, ragt ein weißer Turm in den Himmel. Ein Relikt aus der Zeit des italienischen Faschismus; die einzige vollständig erhaltene von einer Reihe sogenannter Urlaubskolonien, die in den 1920er und -30er Jahren entlang der Küste Massas erbaut wurden. Der weiße Turm wurde vom Autohersteller Fiat in Auftrag gegeben und ab 1933 als Sommerlager für die Kinder der angestellten Arbeiter*innen betrieben. Entworfen und ausgeführt wurde er von Vittorio Bonadè Bottino, einem Ingenieur aus Turin. Heute ist er Teil einer kommerziellen Ferienanlage.
In seiner historischen Nutzung sowie seinem Design ist der Turm verwoben mit dem Propagandakomplex des faschistischen Regimes: er ist als Architektur materialisierte Ideologie. Als solche steht der Turm scheinbar unausweichlich für eine lineare, gewaltvolle Erzählung von Geschichte. Ausgehend von Marco Giorgio Bevilacquas Essay „The Helixes of Vittorio Bonadè Bottino: Symbolism, Geometry and Architectural Types“ (2015) begibt sich TOWER POWER auf eine performative Untersuchung der Formensprache und symbolischen Last des Turms:
"Are we in an airplane? A column? A ‚fascio littorio‘? What would each scenario mean? […] It’s just a building, right?" (deutsche Übersetzung: "Sitzen wir in einem Flugzeug? Einer Säule? Einem „Fascio Littorio“? Was würde das jeweils bedeuten? […] Es ist doch nur ein Gebäude, oder?")
Mithilfe von Ursula K. Le Guins „Carrier Bag Theory of Fiction“ (1986) befragt TOWER POWER die dem Turm eingeschriebenen Narrative und den Umgang mit einem derart aufgeladenen baulichen Erbe.
TOWER POWER entstand als Teil des Seminars „Performing Landscapes of Leisure and Extraction: Quarries and other Colonies” von Céline Condorelli und Hanne König. Im Wintersemester 2024/25 forschten die Studierenden ein Semester lang sowohl zu dem Torre Fiat als auch zu den nahegelegenen Marmorsteinbrüchen von Carrara. Die dabei entwickelten Arbeiten wurden im April 2025 im Rahmen des öffentlichen Programms des POST-COLONIA Festivals for Architecture and Imaginaries in Transition präsentiert, das zum ersten Mal in und um den Turm als Ausstellungsort stattfand.