„Take, make, waste“ – dieses Motto bestimmt unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem, in welchem zur Herstellung von Massenprodukten meist natürliche Rohstoffe verwendet werden, Konsum häufig als einmaliger Gebrauch dieser Produkte begriffen wird und ein Großteil der eingesetzten Rohstoffe nach ihrer Nutzung deponiert oder verbrannt werden. Diese lineare Kette aus Entnahme, Herstellung, Konsum und Entsorgung ist für mehr als 90 % des weltweiten Verlusts an Biodiversität und mehr als die Hälfte aller Treibhausgasemissionen verantwortlich und trägt somit maßgeblich zu Klimawandel und Ressourcenknappheit bei. Daher hat die Frage, wie der Ressourcenverbrauch reduziert und anfallender Abfall sinnvoller verwertet werden kann, in den politischen Debatten der letzten Jahre deutlich zugenommen und dabei vielfältige Lösungsansätze hervorgebracht. Einer dieser Ansätze ist das Konzept der Kreislaufwirtschaft, welches im Wesentlichen darauf abzielt, bei der Produktion auf Abfallprodukte aus der Wirtschaft zurückzugreifen und diese am Ende ihres Lebenszyklus möglichst wieder vollständig zu verwerten. Angelica Gut erforscht in ihrer Arbeit Gestaltung als Rundschema die Möglichkeit einer solchen Kreislaufwirtschaft, indem sie ein biobasiertes Material entwickelt, welches vollständig auf die Nutzung fossiler Rohstoffe verzichtet, und daraus einen kompletten, geschlossenen Zyklus gestaltet. Dafür machte sich Gut zunächst auf die Suche nach Abfallprodukten aus der Lebensmittelindustrie, welche nicht bereits anderweitig – beispielsweise als Tiernahrung – weiterverwendet werden. Für die Auswahl eines geeigneten Abfallprodukts waren verschiedene Faktoren wie beispielsweise gleichbleibende, nicht saisonal variierende Qualität wichtig. Dabei stieß sie auf die Pilzproduktion, für welche mit Sporen von Pilzen geimpftes Substrat sechs Wochen im Dunkeln gelagert wird, bis sich Fruchtkörper (der Esspilz) bilden. Nachdem diese Fruchtkörper abgeerntet wurden, landet das Substrat, in welchem sich das Pilzmyzel (der eigentliche Pilz) befindet, in der Regel auf dem Müll. Dieses besitzt jedoch zahlreiche Biopolymere, welche sich aufgrund ihrer biochemischen Eigenschaften zu beliebig langen Molekülketten verbinden lassen und sich so perfekt zur Herstellung eines biobasierten Materials eignen. Um dieses Potenzial zu nutzen, kooperierte Gut mit der Schweizer Firma Fine Funghi, die sich auf den Anbau von Biopilzen spezialisiert hat und ihr das Substrat nach dem Abernten der Pilze zur Verfügung stellte. Nachdem Gut dieses im Ofen ausgebacken, gemahlen und gesiebt hatte, arbeitete sie die Rezeptur des Materials in mehr als fünfzig Experimenten stetig aus und kontrollierte dessen Qualitäten anhand verschiedener Tests. Anschließend presste sie das Biokomposit mittels eines selbstgebauten Extruders zu Profilen und gestaltete dadurch ihre eigene Meterware. Profile ermöglichen eine konstruktive, materialsparende und nicht zuletzt vielfältige Gestaltung von Objekten und sind – vom Bettgestell über Fensterrahmen bis hin zur Büroklammer – omnipräsent in unserem Alltag. Als Grundform für das Profil wählte sie die Form des klassischen Winkelprofils und entwickelte daraus schließlich drei Objekte, deren Gestaltung sich zwischen direktem Anwendungsbeispiel und spekulativer Zukunftsanwendung bewegt. So entstanden eine Deckenleuchte aus zwölf parallel übereinander hängenden Profilelementen mit inliegenden LEDs, ein schlichter, filigraner Beistelltisch mit Glasplatte und ein freistehendes Regal mit drei Etagen. Da das von Gut entwickelte Material schadstofffrei und komplett biologisch abbaubar ist, können die drei Produkte – sofern sie irgendwann nicht mehr erwünscht sind – einfach auf den Komposthaufen geworfen oder wieder der Materialproduktion beigemischt und erneut extrudiert werden.

Angelica Gut ist eine Schweizer Produktdesignerin, die sowohl in Kiel (Deutschland) als auch in Basel (Schweiz) lebt. Ihr Design ist wesentlich von ihrer genuinen Neugierde für Materialien, verschiedene Herstellungsprozesse und wissenschaftliche Eigenheiten geprägt. Für sie ist Nachhaltigkeit ein integraler Bestandteil von Design und sie versteht eine verantwortungsvolle Designpraxis als elementaren Knotenpunkt für ökologische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. In verschiedenen Workshops informierte sie über die Möglichkeiten von demokratischem Design und postindustrieller Produktion. 2017 gründete sie gemeinsam mit Susanne Kubisch und Nicholas Kuschmann die soziale Veranstaltungsreihe Kaffeeklatsch Ost, welche als wiederkehrende nachbarschaftliche Plattform bis heute besteht. Ihre jüngste Arbeit konzentriert sich auf übersehene, teils übergangene Materialien und Verfahren und bewegt sich zwischen Wissenschaft und Forschung sowie zwischen industriellen Verfahren, Handwerkspraktiken und deren gestalterischer Auseinandersetzung. Dieser Ansatz führt zu einer Reihe von Designarbeiten, die geistreich und ästhetisch reichhaltig sind.