Irgendwann zwischen Sommer 2007 und Juli 2017 wurde das US-amerikanische Immigrationsrecht geändert. Um meinen Pass zu verlängern – ließ man mich wissen – müsse ich nach neuer Gesetzeslage meine Social Security Number angeben. Für den Fall, dass nie eine ausgestellt wurde, sei es für einen erfolgreichen Antrag nötig, eine lückenlose Rekonstruktion meiner Melde- und Aufenthaltsorte seit 1987, als ich in meinem fernen Geburtsland zum ersten Mal die Augen aufschlug, vorzulegen.

California 1986/87 ist die grafische und sprachliche Übersetzung eines gleichnamigen Fotoalbums, das in Form geordneter Bilder und kurzer Einträge die Geschichte meines ersten Lebensjahres in Kalifornien festhält. Meine eigenen Vorstellungen dieses mir unbekannten Heimatlandes bilden die Grundlage für die visuelle Erzählung des Albums, das eine Rekonstruktion und Auseinandersetzung mit dieser Zeit darstellt. Zugleich war die Arbeit an dem Album auch eine Form der Entdeckung, einer Meta-Entdeckung Amerikas; vollzogen auf den Spuren der Bewegung meiner Familie durch die Seiten des Albums als auch durch die Geographie eines fremden Kontinents.

Die Zweckentfremdung von Familienerinnerungen zur faktischen Rekonstruktion und geographischen Verortung motiviert die reduzierte Bild- und Textsprache der Arbeit. Anstelle der persönlichen, nostalgisch aufgeladenen Fotos treten schematische Zeichnungen. Die Bewegung der Figuren durch die comicartigen Panels der Bilderrahmen wird in Anlehnung an Rudolf von Labans Notationssystem für Tanz nachvollzogen. Landschaften und Hintergründe der Fotos finden sich nur in Form reduzierter Regieanweisungen wieder. Zugleich fungiert die textliche Ebene als eine Art „Rosettastein“ für die anfangs kryptische grafische Codierung von Bewegung, die sich erst im Laufe der repetitiven Darstellung erschließt. Die vage verbundenen familiären Impressionen des Originals werden in der nüchternen Rekonstruktion zu einer linearen Erzählung bloßer Tatsachen.

Seminarprojekt im Seminar „L'ordre compliqué”

Betreuung: Anton Stuckart