Am Anfang war dieses Projekt ein Workshop für Moritz Appich, Mona Mayer und Bruno Jacoby.
Nachdem ihr ursprünglicher Plan, einen Off-Space zu mieten, gescheitert war, beschlossen sie, das Beste aus einer schlechten Situation zu machen und mit dem Raum zu arbeiten, den sie hatten: der Stadt. Es bot sich an, zwischen mehreren öffentlichen Räumen zu wechseln — ein Rhythmus, der auch ihre Arbeitsweise definierte: Sie wollten schnell arbeiten und auf die verschiedenen Orte und ihre Anforderungen reagieren.
Um ein bestimmtes Tempo zu halten und die Freiheit bezüglich der Inhalte ihrer Arbeit zu wahren, definierten sie ein Regelwerk: Sechs Wochen lang blieben sie jede Woche an einem anderen Ort. Alle drei mussten fünf Tage die Woche anwesend sein, acht Stunden am Tag.
Alles wurde dokumentiert. Alles musste jederzeit für jeden zugänglich sein. Sie wählten verschiedene Möglichkeiten der Dokumentation: Ein Skizzenbuch, um Situationen und Gedanken schnell aufzeichnen zu können, eine Festplatte für alles Digitale und Fotos, sowie Aufbewahrungsboxen zum Sammeln physischer Objekte.
Die Kisten wurden in einem Wagen aufbewahrt, den sie nach ihren Wünschen gebaut hatten. Dieser wurde zum Zentrum des Projekts. Er diente als Arbeitsstation, als Wegweiser, als Markierung für den Ort, den sie einnahmen, und als Container für ihr kollektives Gedächtnis.
Die drei Studierenden hielten sich zum Beispiel im Hinterhof eines Wohnhauskomplexes auf. Trotz seines Potenzials wurde der Raum nicht wirklich genutzt. Am Ende der Woche luden sie FreundInnen und NachbarInnen in eine leere Garage ein, die sie in ein Kino umgebaut hatten, und schauten mit ihnen „Lovers on the Run“-Filme.
Während ihres Aufenthalts auf einem verlassenen Bahnsteig fanden sie zahlreiche Relikte von Menschen, die zuvor dort gewesen waren. Mit einer Mischung aus Faszination und Ekel fotografierten sie alles. Anschließend druckten sie eine Broschüre und verteilten diese in der Bahnstation, um ihre Eindrücke den Menschen dort zu vermitteln.
Fasziniert von den umliegenden Pflanzen und daran interessiert, Gegenstände herzustellen, sammelten sie außerdem Pflanzenteile und machten aus ihnen Kleidungsstücke. Durch diese Handlung beeinflussten sie den Ort (Aufräumen) und wurden gleichzeitig durch ihn beeinflusst (Kleidung). Im Anschluss veranstalteten sie ein Modeshooting im Hauptbahnhof. Auf einem kleinen Platz fanden sie ein öffentliches Bücherregal, in das Menschen kostenlos Bücher stellen oder sich nehmen können. Sie kombinierten die Geschichten der Bücher und Field-Recordings, die sie von der Umgebung gemacht hatten, zu einer Kassette, die eine neue Geschichte über den Platz erzählt. Eine Kopie legten sie anschließend in das Regal, damit es von den NutzerInnen angehört werden konnte.
Eine Woche lang führten sie einen Friseursalon auf dem Campus der Technischen Universität. Einerseits wollte Mona ihre Fähigkeiten im Haare schneiden verbessern, andererseits bot sich die Möglichkeit, mit den dortigen Studierenden in Kontakt zu treten und das Projekt vorzustellen. Indem sie während der Feierlichkeiten einen personalisierten T-Shirt-Service anboten, wurden die drei Teil des Jubiläums der dortigen Studierendenversammlung. Die Studierenden konnten einen Persönlichkeitstest ausfüllen, auf dessen Grundlage ihnen ein individuelles T-Shirt-Design erstellt wurde, das zu ihrem jeweiligen Charakter passte.
In der menschenleeren Gegend neben einem Gemeinschaftsbüro für Unternehmen der Kulturindustrie waren die drei am Ende der sechs Wochen erschöpft von der Hitze und der dortigen „pseudokreativen“ Umgebung. Mit Hilfe einer lokalen Cafébesitzerin und ein wenig Kühnheit bauten sie einen öffentlichen Pool und schlossen das Projekt mit einer Aperol-Poolparty ab.
Während des Projektes sammelten sich viele Gedanken und Materialien an. Um sich einen Überblick über die Zeit zu verschaffen, wurden die Ergebnisse in einer gedruckten Publikation zusammengefasst. Mithilfe des Kopiergeräts wählten die drei einen schnellen Weg, um Objekte, Fotos, Notizen und Zeichnungen zu arrangieren und eine mögliche Geschichte des Projekts zu erzählen.
Was sie fanden, war eine sehr persönliche Erfahrung im (öffentlichen) Design und die Gewissheit, dass, wenn andere Leute das Projekt erneut durchführen würden, deren Ergebnisse sicherlich völlig anders aussähen. Die offene, spontane Arbeitsweise und die Zwänge der Orte ermöglichten es ihnen, auf Themen zu reagieren, zu denen sie im Rahmen ihrer üblichen Arbeitsgewohnheiten nie gekommen wären.
Wichtige Fragen, mit denen sie konfrontiert wurden, waren: Wie positioniere ich mich (als DesignerIn) im öffentlichen Raum? Wie kommuniziere ich mit einem diffusen Publikum? Was trage ich zu meiner Umgebung und umgekehrt bei? Was passiert, wenn ich eine bestimmte Zeit in einem zufälligen Raum verbringe und wie kann ich ihn besetzten?
Die drei Studierenden sehen die Struktur ihres Projekts als ein großes Werkzeug an, das ihnen half, während der Arbeit zu einer anderen Denkweise zu gelangen und ihnen neue Fragen zu eröffnen.
Betreuung: Rebecca Stephany und Sereina Rothenberger