Im Jahr 2014 präsentierte das Weltkulturen Museum in Frankfurt eine Ausstellung mit dem Titel Foreign Exchange (or the stories you wouldn't tell a stranger). Die von Clémentine Deliss und Yvette Mutumba - damals Direktorin bzw. Kuratorin des Museums - kuratierte Ausstellung umfasste einen Überblick über die fotografische Dokumentation der rund 67.000 ethnografischen Artefakte umfassenden Sammlung des Museums. Die Bilder stammen von Fotostudios, die vom Museum beauftragt wurden, und von hauseigenen Fotografen.

Eine Begleitpublikation zur Ausstellung enthält die Niederschrift einer Gruppendiskussion zwischen eingeladenen Künstler:innen, Schriftsteller:innen, Anthropolog:innen und anderen Kommentator:innen, die im Rahmen der Ausstellung organisiert wurde. Hier werden diese historischen Fotografien heftig kritisiert. Als besonders problematisch wird ihre über mehrere Jahrzehnte anhaltende Tendenz angesehen, ethnografische Artefakte isoliert vor einfarbigen, hellen, "ethnisch" gefärbten Hintergründen abzubilden. Diese spezifische Ästhetik wird in der Diskussion als eine Art Kompensation für das außerordentliche Fehlen von Wissen über die Herkunft der abgebildeten Artefakte interpretiert, von denen viele in einer intensiven Periode der Aktivität während der Kolonialzeit durch den Gründungsdirektor des Museums, Bernard Hagen, erworben wurden.

Diese Ausgabe von MAS unternimmt einige elementare bibliografische Schritte, um die Rhetorik der Kritik in Foreign Exchange zu qualifizieren und die Grundlagenforschung voranzutreiben, die Deliss fordert, wenn sie schreibt: "Bis heute gibt es keine kritische Analyse der Art und Weise, in der so genannte Stammeskunstobjekte oder Ethnografika fotografiert werden, sobald sie von ihrem ursprünglichen Produktionsort entfernt wurden.

Das in MAS 006 präsentierte Material ist eine visuelle Recherche, die während eines von James Langdon initiierten Seminars an der HfG Karlsruhe im Jahr 2018 entstanden ist. Eine Gruppe von zehn Teilnehmer:innen analysierte eine Sammlung von 56 ethnografischen Büchern, die zwischen den 1960er-Jahren - als der Vollfarbdruck im Museumsbereich üblich wurde - und dem aktuellen Jahrzehnt erschienen sind. Jedes Jahrzehnt war mit etwa zehn Titeln vertreten, etwa zur Hälfte aus Europa und zur Hälfte aus den USA. Die Sammlung wurde über internationale ethnografische Buchhändler:innen zusammengestellt und ist somit unabhängig von den Interessen der Verlage, der Museen und Personen, deren Sammlungen vertreten sind. Innerhalb dieser Parameter wurden die einzelnen Titel visuell ausgewählt, und zwar auf der Grundlage von Studiofotografien afrikanischer Artefakte, die mit der in Foreign Exchange beschriebenen Ästhetik übereinstimmen. Es wird daher nicht versucht, das Ausmaß dieser ästhetischen Tendenzen im Bereich der ethnographischen Veröffentlichungen insgesamt zu quantifizieren. Trotz des notwendigerweise bescheidenen Umfangs ist allein die geographische und historische Streuung der Sammlung ein Indiz dafür, dass diese Ästhetik weit verbreitet und offenbar unumstritten war und keineswegs nur im Kontext des Weltkulturen Museums oder der deutschen Ethnographica zu finden ist.

Die gesammelten Bücher enthalten insgesamt 10.189 Bilder. Die Teilnehmenden analysierten die Bücher direkt, indem sie eine Datenbank mit den bibliografischen Angaben, dem Umfang, den Abmessungen und den Themen der Bücher sowie mit den Angaben zu den Fotografien selbst, d. h. den verwendeten Farben und Hintergrundtypen, den Merkmalen der Beleuchtung und des Ausschnitts sowie den für die Darstellung relevanten Aspekten der grafischen Gestaltung, erstellten. Die Arbeit wurde dann durch "Anfragen" an diese Datenbank fortgesetzt, wobei Teilmengen von Bildern ermittelt wurden, die für die Diskussion zusammengestellt werden sollten. Die vergleichende visuelle Arbeit erfolgte manuell - nicht am Computer - durch Sortieren und Gruppieren der Bilder auf großen Tabellen.

Sieben dieser Anfragen werden in der MAS-Ausgabe 006 mit kurzen Beschreibungen ihrer Methodik vorgestellt. Die Diskussionen wurden durch zeitgenössische und historische Lektüre ergänzt, und während des Seminars wurde die laufende Arbeit durch regelmäßige Beiträge von Gästen, darunter Clémentine Deliss, Jan Hoek, Sarah Owens und Jelly Sarah Kouablan, begleitet. Ihre Kommentare machten uns nur allzu bewusst, dass unsere Position in einer europäischen Kunstschule und unser Vertrauen auf bibliografische Methoden uns trotz unserer besten Absichten dazu verleiteten, den westlichen Blick zu reproduzieren, selbst wenn wir ihn aktiv kritisierten.

Gestaltung: Severin Geißler, Cécile Kobel

Betreuung: Prof. James Langdon, Prof. Andreas Müller

Veröffentlichung: Februar 2020