Wir vereinigen Kunst, Theorie und Design, um in einer digitalisierten Welt Freiheit neu zu verhandeln.

Wir wissen, dass wir unsere Lebensweise ändern müssen. Wir leben in einem Moment des Übergangs, in dem alte Weltordnungen, Wirtschaftssysteme, Gesellschaftsverträge, Ideologien, Autoritäten und politische Institutionen am Ende sind – und neue erst noch reifen müssen. An der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe analysieren, gestalten, debattieren und entwerfen wir, was auf uns zukommt.


Ausbildung und Curriculum

Die Studierenden des ersten Studienjahres beginnen mit Orientierungskursen, in denen sie verschiedene Wege des intuitiven und analytischen Verständnisses von digitalen und anderen Medien erproben und vielfältige und neue Wege der Kommunikation mittels dieser Medien erlernen. Die Studierenden beginnen, zwischen verschiedenen Dimensionen zu navigieren, von 2D-Bildschirmen und Oberflächen, 3D-Objekten und -Räumen, bewegten Bildern und Performances (4D) bis hin zu intellektuellen Übungen, in denen sie Strategien gegen eindimensionales Denken und Handeln entwickeln (-1D).

Während des Orientierungsjahrs erforschen die Studierenden ihre Talente und Neigungen und lernen, die Medien als Erweiterungen ihrer Körper zu verstehen und anzueignen. Ein strukturiertes Programm von projektbasierten Modulen macht sie mit den Werkstätten, den Studios, der Bibliothek sowie mit verschiedenen Werkzeugen, Techniken und Ressourcen vertraut. Die Studierenden des ersten Studienjahrs erhalten einen gemeinsamen Raum, in dem sie ihre eigene Lernumgebung entwickeln und gestalten.

Die Moderne hat einseitige Spezialisierung und Atomisierung hervorgebracht. An der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe arbeiten wir gegen einseitige Perspektiven an, indem wir neue Verbindungen, neue Konfigurationen und neue Kontextualisierungen schaffen. In der heutigen Welt mangelt es nicht an SpezialistInnen, sondern an der Fähigkeit, unterschiedlichste fachspezifische Perspektiven und Lösungsansätze zusammenzuführen. Außerdem werden professionelle Nicht-ExpertInnen benötigt, die in der Lage sind, ständig zwischen Perspektiven und Dimensionen zu wechseln, um das Feld möglicher Handlungen zu kartografieren und letztlich die Welt neu zu organisieren. Darum bringt die Hochschule für Gestaltung Karlsruhe in ihrem Curriculum Kunst (4D), kritische Theorie (-1D) und Design (2D, 3D) zusammen: Aufbauend auf ihrem Vermächtnis steht die Hochschule für die Vereinigung von Kunst - als einer kontinuierlichen Performance des Perspektivwechsels; kritischer Theorie – als einer nie endenden dialogischen Übung des Perspektivwechsels; und Design – als einem kontinuierlichen Projekt der Gestaltung individuellen und sozialen Lebens durch Objekte und Environments.

Im zweiten bis fünften Jahr arbeiten Studierende, Lehrende und Gäste in einer offenen Studienorganisation an kollektiven und individuellen Projekten. Mit diesen Projekten arbeitet die Hochschule für Gestaltung und Kunst Karlsruhe als selbstbeauftragendes Studio sowie als Kooperationspartnerin für Projekte mit externen PartnerInnen, als Forschungs- und Ressourcenzentrum für drängende Fragen, als analoge wie digitale Plattform mit einem Netzwerk von SpezialistInnen und schließlich als Bühne zur Aufführung utopischer Prototypen von Gesellschaft. Die Projekte versammeln diverse Perspektiven aus komplementären Disziplinen (d.h. aus den 7 Studiengängen der HfG). Der Inhalt eines Projekts kann theoretisch kontextualisiert und kritisch analysiert, durch künstlerische Praktiken hinterfragt, durch diverse Design-Disziplinen und insbesondere digitale Technologien prototypisch umgesetzt und schließlich als offenes Gesamtkunstwerk inszeniert oder publiziert werden.

Bereits ab dem zweiten Studienjahr erkunden die Studierenden verschiedene Forschungs- und Untersuchungsmethoden, die es ihnen ermöglichen, ihre eigene Arbeitsmethode zu finden und ihre Praxis zu entfalten. Wir erwarten von den fortgeschrittenen Studierenden, dass sie eine klar artikulierte Position einnehmen und eine starke kritische, relationale oder spekulative Haltung entwickeln, die zum internationalen Diskurs über Kunst, Design und/oder kritische Theorie beiträgt. Die fortgeschrittenen Studierenden werden daher in ihren Projekten von MentorInnen mit den unterschiedlichsten Perspektiven betreut.

An der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe machen wir Kunst mittels Theorie. Wir machen Theorie mittels Design(forschung) und Design mittels Kunst und Theorie. Wir betrachten Theorie als Werkzeug, um die Welt zu gestalten, und wir verwenden Designobjekte als Werkzeuge, um neue Weltsichten zu schaffen. Wir sehen Kunst, Theorie und Design als Haltungen, die zu Form werden, die zu Haltungen werden, die zu Form werden ...  


Programmieren oder programmiert werden!

An der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe betreiben wir Forschung als kontinuierliche Übung der Umkehr, des Perspektivwechsels: Das Individuum lesen wir als Kollektiv und das Kollektiv als Individuum; Zwänge nutzen wir als Chancen; in den Rissen der Wirklichkeit entdecken wir das Poetische; wir sehen das Utopische im Dystopischen und das Dystopische im Utopischen; wir entdecken das Wertvolle im Wertlosen und umgekehrt; wir betrachten ExpertInnen als Nicht-ExpertInnen und Nicht-ExpertInnen als ExpertInnen; wir sehen durch die Potenziale der digitalen Technologien hindurch die Gefahren und durch die Gefahren hindurch ihre Potenziale.
Während der Zusammenarbeit in temporären Projekte und Studios werden alle gleichermaßen zu Studierenden und Lehrenden. Alle nehmen an einem fortlaufenden Prozess des Lernens und des Verlernens, der gegenseitigen Erziehung und der kontinuierlichen Selbsterziehung teil. 

Wir verstehen die Gesellschaft als ein komplexes Phänomen, das uns zwingt, Echokammern aufzubrechen und Komfortzonen aufzugeben. Wir ermutigen uns gegenseitig, wieder und wieder die Perspektiven zu wechseln und eindimensionale Standpunkte gegen integrative Perspektiven auszutauschen, wobei wir Vielfalt hinsichtlich Geschlecht, Generation, sozialem Hintergrund und Fähigkeiten begrüßen.

An der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe erforschen wir die performativen und affektiven Dimensionen des Diskurses. Wir verwenden Objekte und Technologien von Print bis hin zu Ausstellungen und digitalen Medien als Werkzeuge der Reflexion und der Forschung. Wir streben nicht danach, mehr von immer gleichen Lösungen zu produzieren, sondern wir möchten die Funktion und die Implikationen von Design sowohl für ProduzentInnen als auch für KonsumentInnen hinterfragen. Die Beziehungen zwischen Individuen und Objekten sind soziale Beziehungen, die durch eine Neugestaltung der Objekte verändert werden können. Wir verstehen alle Objekte als Hyper-Objekte, als vernetzte und vernetzende Objekte. Hyper-Objekte weisen über sich selbst hinaus auf einen größeren Zusammenhang; sie machen ihre vielfältigen Verbindungen zur Welt deutlich; sie spiegeln die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und technologischen Bedingungen ihrer Produktion und Nutzung wider; sie zwingen uns, ständig die Perspektive zu wechseln; sie sind Schlüssel zur Realität und deren Veränderung. Wir erwarten, dass die AbsolventInnen zu aktiven BürgerInnen und MeisterInnen im Umgang mit Zweifeln und Konflikten, Debatten, Provokationen und widersprüchlichen Ideen werden. Wir erwarten von ihnen, dass sie programmieren, bevor sie programmiert werden.

Gemeinsam betrachten wir an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe die Welt nicht als etwas Gegebenes, sondern als etwas Gemachtes - das neu gestaltet werden kann und das dringend neu gestaltet werden muss (einschließlich der so genannten Lösungen, die zu den Problemen geführt haben). Wir schauen radikal nach innen und erforschen uns selbst – wir träumen, spekulieren, begehren, fürchten, beschäftigen uns mit Fragen der Isolation, Depression und Melancholie, der Liebe und Anerkennung, des Selbstgenuss und der Selbstkontrolle. Wir blicken radikal nach außen und erforschen die Welt, zoomen ein und aus, von Individuen zu Gesellschaften, von AgentInnen zu Netzwerken, vom Mikroskopischen zum Kosmos und wieder zurück. Gemeinsam sehen wir, wie sich beide Perspektiven, die nach innen und die nach außen gerichtete, gegenseitig einschließen. Wir finden uns überall auf der Welt wieder, und wir finden die Welt in uns. Wir verstehen Freiheit als etwas, das nicht gegeben ist, sondern das erst durch Selbstreflexion, Selbstorganisation und Wiederaneignung unserer Medien, der digitalen wie der analogen, entsteht. In einer zunehmend von Überwachungs- und Kontrolltechnologien durchdrungenen Welt verhandeln wir Freiheit neu.

Wir pflegen eine Kultur der Selbstreflexion und der angewandten Skepsis, und wir sind uns bewusst, dass wir uns in einer privilegierten Position befinden. Als Mitglieder einer Organisation im öffentlichen Auftrag sind wir aufgerufen, einander zu dienen – die Studierenden, indem sie in ihrer Arbeit Risiken eingehen, die Lehrenden, indem sie die Studierenden herausfordern, die Werkstatt- und StudioleiterInnen, indem sie die Autonomie der Studierenden fördern, die Verwaltung, indem sie Dinge ermöglicht, das Facility Management, indem es bereit ist für Veränderungen, die Leitung, indem sie Köpfe und Hände verbindet, und die Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, indem sie der Gesellschaft dient. Diese Selbstverpflichtung zur gegenseitigen Fürsorge schließt auch konstruktive Kritik ein mit dem Ziel, die Qualität der Arbeit zu verbessern. 

Die AbsolventInnen der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe werden in der Lage sein, die Produktion des Sozialen und des Individuellen als Designprozesse zu betrachten, in denen sie gebraucht werden, um größere Zusammenhänge zu entfalten. Als professionelle Nicht-ExpertInnen werden sie in der Lage sein, mit SpezialistInnen aus verschiedenen Disziplinen zusammenzuarbeiten, von Wissenschaft und Technik bis hin zu Design, Kunst und Theorie. Unsere AbsolventInnen bringen die Fähigkeit mit, interdisziplinäre Teams zusammenzustellen, die in der Lage sind, radikale Veränderungen einzuleiten und sich mit den Weltordnungen im Wandel auseinanderzusetzen.


HfG Research

Als Institution, die sich der Förderung dieses interdisziplinären Wissens verschrieben hat, werden wir bis zum Jahr 2023 HfG Research, eine Forschungsplattform für Design und Kunst an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, einrichten. HfG Research versammelt die in der HfG geleistete Forschung, die in der  in der Lehre gründet und in eine Vielzahl von Projekten, Ausstellungen, (Lehr)Veranstaltungen und öffentlichen Aktivitäten einfließt. Dieser Ansatz ermöglicht es, starke und substanzielle Verbindungen zwischen den Projekten herzustellen und ein nachhaltiges Netzwerk von internen und externen ExpertInnen und FachkollegInnen zu einem bestimmten Thema zu bilden.

In Zukunft wird die Mehrzahl der Projekte an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Karlsruhe noch stärker in Richtung eines forschungsbasierten Ansatzes für Kunst und Design entwickelt werden. Teil dieses Prozesses ist die Entwicklung des Konzepts und die Stärkung der Rolle von HfG Research innerhalb der Institution. Im Jahr 2023 wird der laufende Entwicklungsprozess von HfG Research die Forschungsplattform in Richtung einer starken, internationalen Online-Präsenz erweitern, die als Drehscheibe für Wissenstransfer und das Teilen von Ideen, Ressourcen und Forschung zwischen KünstlerInnen, DesignerInnen, KuratorInnen, SchriftstellerInnen und anderen ExpertInnen fungieren und diese mit der breiteren Öffentlichkeit, sowohl lokal als auch international, in digitalen wie gedruckten Publikationen teilen wird.

Wir sehen Demokratie nicht als ein statisches Objekt, sondern als ein dynamisches Projekt, das ständig evaluiert, überarbeitet und neu gestaltet werden muss. In Zeiten, in denen die Demokratie gefährdet ist und die Wirtschaft sozial und ökologisch extraktiv arbeitet, wollen wir an alternativen Prozessen der kollektiven Entscheidungsfindung sowie an alternativen und nachhaltigen Wegen des Werteaustauschs arbeiten. Innerhalb der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und in Partnerschaft mit dem ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe) und anderen Partnern werden wir transversale Projekte initiieren: multidisziplinäre Plattformen für die Zusammenkunft von Akteuren aus allen Teilen der Gesellschaft. Durch diese Projekte bauen wir ein Ökosystem auf, das unsere Alumni, Partner, Unternehmen und andere Hochschulen einschließt. Sie fungieren als Inkubatoren für künftige Herausforderungen und mögliche Antworten. Mit ihnen analysieren, gestalten, debattieren, und entwerfen wir das, was auf uns zukommt.

Die Hochschule für Gestaltung Karlsruhe ist der Ort, an dem Kunst, Theorie und Design auf Technologie treffen. Wir bieten ExpertInnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen und Laien eine Plattform, auf der zukünftige Lebensmodelle verhandelt und entworfen werden können.