Im dritten Teil des Forschungsseminars „Critical Zones“ setzte Bruno Latour zusammen mit TeilnehmerInnen der HfG Karlsruhe und weiterer Hochschulen die Planung einer Ausstellung fort, die 2020 im ZKM Karlsruhe stattfinden soll. Aufgrund der großen Nachfrage wurde die Teilnahme über ein Anmeldeverfahren geregelt.

Seminar und Ausstellung befassen sich mit dem geophysikalisch kritischen Zustand der Erde, besonders mit der sogenannten „Critical Zone“, ihrer durchlässigen, oberflächennahen Schicht, auf der das Leben entsteht. Latour nimmt diese Zone als Inbegriff für ein kritisches, teilnehmendes Verhältnis zu unserer Lebenswelt, die in einem Maße bedroht ist, wie es in der vom Menschen geprägten Erdgeschichte noch nie dagewesen ist. Sie steht auch für ein „New Climate Regime“, das sich nicht nur auf ökologische Krisen beschränkt, sondern auch Fragen der Politik und Kulturgeschichte berührt und erkenntnistheoretische Perspektivenwechsel mit sich bringt.

Höhepunkt der Woche war eine Ausstellung in den Lichthöfen der HfG Karlsruhe, in der die vorläufigen Ergebnisse der Seminarmitglieder präsentiert wurden. Mit Postern, Videoinstallationen, skulpturalen Arbeiten und Performances wurde erprobt, wie die „Critical Zone“ eingreifend-ästhetisch erschlossen und vermittelt werden könnte.

Zu einem öffentlichen Vortrag im Rahmen des Seminars war zudem der Künstler und Kunsthistoriker Nikola Bojiç eingeladen. Im Dialog mit den Studierenden stellte er den „Swamp Pavilion“ als ein Projekt zwischen Bio Art, Immersion und Partizipation vor, das zuletzt auf der Architekturbiennale 2018 in Venedig zu sehen gewesen ist.

Anlässlich der dritten Sitzung hat Yohji Suzuki (Japan) ein Interview mit Bruno Latour veröffentlicht, das er mit diesem zu den Themen und Herangehensweisen des Seminars sowie zur geplanten Ausstellung am ZKM geführt hat (in englischer Sprache auf der Website der Tokyo University of the Arts unter http://ga.geidai.ac.jp/en/indepth/bruno2018en/). In einem Abschnitt zur diskursiven Bedeutung von Ausstellungen bringt Bruno Latour darin zugleich eine wesentliche Stoßrichtung des „Critical Zones“-Projekts auf den Punkt:

„Ausstellungen können nicht alles tun; sie können etwa nicht die Argumentationskraft von Büchern ersetzen. Was sie aber können, und dies ist ihre große Stärke, ist eine räumliche Form des Verstehens anzubieten, was sich gerade im Zusammenhang mit den größeren Verschiebungen des räumlichen Bewusstseins [in unserer Zeit] sehr anbietet. Eine Ausstellung ist physisch, kann aber, wenn sie gut gemacht ist, in das Denken vorstoßen. In diesem Sinne denke ich, dass wir mit den drei Ausstellungen, die wir hier am ZKM gemacht haben, erfolgreich waren – indem wir es geschafft haben, den physischen Raum in einen Denkraum zu transformieren, und den Denkraum in eine körperliche Erfahrung. Dies hilft den Menschen dabei, Sinn aus der Komplexität der aktuellen historischen Situation zu machen. Genau das fehlt in den vielen Diskussionen über die ökologische Krise. Redet man weiter über die Gefahren für die Natur, so interessiert sich niemand dafür. Es ist zu abstrakt, zu kompliziert. So gesehen denke ich, dass Ausstellungen eine wichtige Rolle zu spielen haben.“

Bruno Latours Projektprofessur an der HfG Karlsruhe knüpft an dessen langjährige Zusammenarbeit mit dem ZKM an, wo er gemeinsam mit Peter Weibel bereits seit 2002 mehrere große Handlungs- und Denkräume für den Museumskontext entwickelt hat: „Icono-Clash“, „Things Going Public“ und „Reset Modernity“. „Critical Zone“ wird eine Quintessenz dieser Zusammenarbeit liefern.

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